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24.03.2012 16:00
Besser als erwartet, aber: "Gaucks Rede war kein großer Wurf"
Berlin - In seiner ersten wichtigen Rede hat Joachim Gauck viele Probleme angesprochen, Lösungsansätze aber nur vage angedeutet. Ein großer Wurf war das nicht. Deutlich wurde aber, wie seine Agenda aussehen wird. [Quelle: handelsblatt.com] JWD

[..] Gauck hat darauf verzichtet, einen Schwerpunkt zu setzen und hat dafür in einer Art Rundumschlag vieles angesprochen, aber wenig vertieft. Er hat einen einigermaßen gefahrlosen Weg gewählt, hat die Armen wie die Reichen angesprochen, hat sich den Konflikten dieser Welt kurz zugewandt, hat den „lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern“ die Aufgabe zugesprochen, sich ihrer Freiheit bewusst zu werden und daraus etwas zu machen. Er hat sich an die Ausländer in Deutschland gewandt und versprochen das Integrations-Thema seines Vorgängers Christian Wulff auch zu seinem Herzensthema zu machen, er hat sich in besonders deutlichem Ton gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gestellt, und er hat sich klar zum europäischen Gedanken bekannt.

[..] Wie gerne hätte man von Gauck etwas mehr zur Euro-Schuldenkrise gehört und dazu, dass die Rettungspolitiker bei all ihren Bemühungen, die Krise in den Griff zu bekommen, nicht die soziale Balance aus dem Blick verlieren dürfen. Gauck vermeidet hier wie dort, klare Ansagen. Er tippt die Probleme nur an und macht zu Lösungsansätzen nur vage Andeutungen...

Zum vollständigen Artikel von Dittmar Neuner bei 'handelsblatt.com'   ..hier


Anmerkung: Gaucks Antrittrede war sehr gut inszeniert und hatte etwas von einer Predigt. Durchaus positiv sehe ich den Umstand, dass einige Dinge ins Bewusstsein geholt wurden, die aktuell nicht auf der tagespolitischen Agenda zu finden sind. Allerdings hat er sich in Bezug auf seinen eingeschränkten Freiheitsbegriff meines Erachtens keinen Millimeter bewegt. Auch die Hinzufügung von Gerechtigkeit in seine Begriffswelt ändert daran nichts. Wie lässt sich denn diese Gerechtigkeit greifen? Handelt es sich nicht genau um jenes Gerechtigkeitsverständnis, dass auch bei der deutschen Bischofskonferenz als christliche Soziallehre postuliert wurde, indem von Chancengerechtigkeit anstatt von Chancengleichheit gesprochen wurde. Ersetzt man die Begriffe Chance und Gerechtigkeit mit Freiheit und Gerechtigkeit, wird erkennbar wie bedeutungslos diese Art von Gerechtigkeit ist.
 
Chance und Gerechtigkeit - klingt zukunftsoffen und menschenfreundlich, ist kombiniert aber zutiefst rückständig
Die Heimtücke des Begriffs 'Chancengerechtigkeit' wird in einem lesenswerten Aufsatz aus 2008 von Holdger Platta** herausgearbeitet und gipfelt in der Feststellung: [Auszug] .., in diesem scheinbar so staats- und kirchenfromm definierten Begriff der "Chancengerechtigkeit" im CDU-Grundsatzprogramm verbirgt sich jener Schuldspruch an die Adresse jener, die es nicht geschafft haben, nach oben zu gelangen, oder gar ganz unten gelandet sind.

"Recht so, richtig so!" Und Husmann-Driesen hat völlig zutreffend konstatiert, dass es bei dieser "Gerechtigkeit" gar nicht mehr um Menschlichkeit geht, sondern nur noch um Erfolg. Diese Auffassung von "Gerechtigkeit" und "Chancengerechtigkeit" ist nichts anderes mehr als Selbstrechtfertigungslehre derer da oben und nichts anderes als die moralische Fertigmache all jener, die beim Lebenskampf auf der Strecke geblieben sind.

Oder um es ganz einfach zu sagen: dieses Gerechtigkeitsverständnis ist nichts anderes mehr als Ausdruck schäbigster Niedertracht!  ..hier  oder 
zum Artikel von Holger Platta bei 'flegel-g.de  ..hier
Man ist heutzutage auch daran gewöhnt, dass von christlichen Traditionen gesprochen wird, wenn humanistische, der Aufklärung zu verdankende Errungenschaften gemeint sind, die fast immer gegen den erbitterten Widerstand der christlichen Kirchen von mutigen Aufklärern erkämpft wurden. Auch diesbezüglich betreibt Gauck Geschichtsfälschung. Der Islam sei Teil unserer Gesellschaft geworden, stellt Gauck zutreffend fest, vergisst aber wie üblich diejenigen, die humanistisch geprägt, keiner Religion anhängen und möglicherweise die größte Gruppe in unserer Gesellschaft ausmachen. Da kann der Pfaffe nicht über seinen eigenen Schatten springen.

Soziale Gerechtigkeit hat er tatsächlich genannt. Dummerweise hatte er von diesbezüglicher Gesetzlichkeit nicht gesprochen. Dass wäre zu verbindlich gewesen.

"Zwischen dem Starken und dem Schwachen ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." [Rousseau]

Wie will der neue Bundespräsident denn die soziale Gerechtigkeit herstellen? Durch "Ermächtigung" will er dass erreichen. Diese reichlich diffuse Umschreibung soll wohl 'Hilfe zur Selbsthilfe' meinen. - Vielleicht denkt er dabei an die 1 Euro- Jobber, die ja auf diese weise 'Hilfe zur Selbsthilfe' erfahren, indem sie sich fit halten können, für eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Und zwar für den Fall, dass nicht genügend Euro- Jobber verfügbar sein sollten und deshalb auch mal ein richtiger Arbeitsplatz (wenn auch im Niedriglohnsektor) ausgeschrieben werden müsste. (Ähnlich wie bei der Katze, die sich in den Schwanz beißt?). Gaucks Lippenbekenntnisse zur sozialen Verantwortung bleiben fadenscheinig.

Der Amtseid ist eine Farce, die durch den Zusatz "So wahr mir Gott helfe!" vollständig entwertet wird
Was soll man von einer solch anmaßenden Beteuerung halten, die als -wahr- voraussetzt, ein nicht existierendes Wesen würde der den Eid aussprechenden Person helfen wollen? Die wissenschaftliche Wahrscheinlichkeit, dass es einen solchen Gott gibt, geht gegen null.

Abgesehen davon, hat der Amtseid keinerlei rechtliche Bedeutung. Gegen Verletzungen des Amtseides kann nicht juristisch vorgegangen werden. Wie sämtliche Amtseide, die im deutschen öffentlichen Recht vorgesehen sind, ist auch der Amtseid des Bundespräsidenten in keiner denkbaren Beziehung strafbewehrt, etwa in dem Sinne, dass eine flagrante Verletzung der im Eid übernommenen Verpflichtungen strafrechtlich als Meineid o. Ä. gewertet würde.“ [Quelle: Wikipedia]

"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. [So wahr mir Gott helfe*]".


*)    die s.g. religiöse Beteuerung ist freiwillig und nicht zwingender Bestandteil des Eids

**) Holdger Platta ist  Autor und Wissenschaftsjournalist; Jahrgang 1944; Studium der Germanistik, Geschichte, Pädagogik und Politologie; zahlreiche Rundfunk-Features zu sozialpsychologischen Themen; fachwissenschaftliche Veröffentlichungen in „Psyche“, „Neue Sammlung“, „psychosozial“, „Psychologie heute“, „Abraxas“, „Skeptiker“; Buchveröffentlichungen: „New-Age-Therapien. Pro und contra“. Beltz-Verlag Weinheim 1994; „New-Age-Therapien. Rebirthing, Reinkarnation, Transpersonale Psychologie. pro und contra“. Rowohlt-Verlag Reinbek 1997; „Identitäts-Ideen. Zur gesellschaftlichen Vernichtung unseres Selbstbewusstseins“. Psychosozial-Verlag Gießen 1998. Seit 2005 - vor allem im Internet - zahlreiche Beiträge gegen Hartz-IV und gegen Neoliberalismus-Propaganda veröffentlicht habe.

 
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