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03.02.2013 17:45
Marktkonforme Moral? - Alles bisher Herausgefundene über den US-Drohnen-Krieg
Das größte us-amerikanische Nonprofit-Magazin für investigativen Journalismus "ProPublica*" hat eine Zusammenstellung bekannt gewordener Fakten über den Drohnen-Krieg der USA veröffentlicht, durch den bislang schätzungsweise 3000 Tötungen erfolgt sind. ProPublica schreibt: "Sie haben sicher schon etwas über "Tötungslisten" und Drohnen gehört. Aber die Details der US-Kampagne gegen Militante in Pakistan, im Jemen und in Somalia – die ein Kernstück der Sicherheitspolitik der Obama-Administration ist – werden geheim gehalten. Wir veröffentlichen alles, was wir darüber wissen und was wir nicht wissen."  JWD

[Auszüge]
Wo findet der Drohnen-Krieg statt? Wer führt ihn?
Drohnen sind das bevorzugte Werkzeug der Obama-Administration zur Ausschaltung ihrer militanten Gegner außerhalb des Iraks und Afghanistans. Sie sind aber nicht die einzige Waffe; man setzt auch traditionelle Luftangriffe und andere Mittel (wie Killerkommandos) ein. Nach einer Schätzung wurden aber 95 Prozent der seit den Anschlägen am 11. September 2001 vorgenommenen gezielten Tötungen mit Drohnen durchgeführt. Drohnen haben den Vorteil, dass bei ihrem Einsatz keine US-Soldaten gefährdet werden.

Der erste Drohnen-Angriff, über den berichtet wurde, fand 2002 auf ein Al-Qaida-Mitglied im Jemen statt. Schon unter dem Präsidenten George W. Bush begann die CIA ab 2008 die Anzahl ihrer geheim gehalten Drohnen-Angriffe (auf Taliban-Schlupfwinkel) in Pakistan zu erhöhen. Ab 2011 hat Obama vor allem die Angriffe im Jemen noch einmal drastisch gesteigert. [..]

Wie werden die Zielpersonen ausgewählt?
Eine ganze Reihe von Artikeln, die sich fast nur auf anonyme Angaben von Regierungs-Vertretern beziehen, lassen Annahmen darüber zu, wie die USA die Zielpersonen für ihre Drohnen-Angriffe auswählen. Zwei neuere Berichte von Mitarbeitern der Columbia Law School und des Council on Foreign Relations enthalten detailliertere Übersichten zu den Aussagen, die über die Drohnen-Angriffe vorliegen.

Der CIA und das US-Militär führen seit Langem ihre eigenen "Tötungslisten", die sich teilweise überlappen. Nach Pressemeldungen aus dem Frühjahr des vergangenen Jahres wurde die Liste des Militärs im Pentagon ausgearbeitet und dem Weißen Haus zur Genehmigung vorgelegt. Über besonders heikle Fälle musste Obama selbst entscheiden. In diesem Jahr wurde – wie verlautet – das Verfahren dahingehend geändert, dass die Auswahlkriterien und die Zielpersonen vom Weißen Haus allein festgelegt werden.

Nach einem Bericht in der Washington Post findet die Auswahl jetzt auf regelmäßigen Treffen von Vertretern verschiedener Behörden im National Counterterrorism Center statt. Die getroffene Auswahl legt John Brennan, der Antiterrorismus-Berater des Weißen Hauses, dem Präsidenten zur Entscheidung vor. Aus mehreren Berichten wird die führende Rolle deutlich, die Brennan bei der Durchsetzung des umstrittenen Tötungsprogramms gespielt hat. In dieser Woche hat Obama Brennan zum Chef der CIA nominiert. Nicht alle CIA-Angriffe müssen vom Weißen Haus genehmigt werden. [..]

Nehmen die USA manchmal auch Personen ins Visier, deren Namen sie nicht kennen?
Die Frage ist zu bejahen. Regierungsvertreter behaupten zwar immer wieder, DrohnenAngriffe zielten nur "auf hochrangige Al-Qaida-Führer, die Angriffe auf die USA planten"; häufig richten sie sich jedoch nur gegen vermutete Militante, deren Identität die USA noch nicht einmal kennen. [..] Im Jemen und im Somalia gibt es Diskussionen darüber, ob die von den US-Streitkräften ins Visier genommenen Militanten tatsächlich die USA oder nur die Regierung ihres eigenen Landes bekämpfen.[..]

Wie viele Menschen wurden bisher bei Drohnen-Angriffen getötet?
Die genaue Anzahl der Getöteten ist nicht bekannt, nach einigen Schätzungen könnten es insgesamt etwa 3.000 sein. [..]

Wie viele der Getöteten waren Zivilisten?
Das ist unmöglich festzustellen. Über die Anzahl der getöteten Zivilisten gibt es sehr widersprüchliche Aussagen. Nach Angaben der New American Foundation wurden in Pakistan bisher zwischen 261 und 305 Zivilisten getötet; das London Bureau of Investigative Journalism spricht von 475 bis 891 zivilen Opfern. [..]

Die Schätzungen beziehen sich größtenteils auf Pressemeldungen, [..]. Die unterschiedlichen Zahlen erklären sich auch aus der Tatsache, dass die USA – wie durchgesickert ist – alle bei Drohnen-Angriffen getöteten Männer im wehrfähigen Alter als feindliche Kämpfer einordnen. Ein Regierungsvertreter erklärte gegenüber ProPublica: "Wenn sich eine Gruppe von Männern im wehrfähigen Alter in einem Haus aufhält, in dem Bomben gebaut oder Angriffe geplant wurden, nehmen wir an, dass alle feindliche Kämpfer sind." Es wurde nicht klar, ob das nach ihrem Tod überprüft wird.

Die Columbia Law School hat untersuchen lassen, was die USA unternehmen, um die Anzahl der zivilen Opfer vorab zu kalkulieren und zu verringern. Es wurde festgestellt, dass in dem verdeckt geführten Drohnen-Krieg die in traditionellen Kampfhandlungen übliche Rücksichtnahme (auf die Zivilbevölkerung) kaum möglich ist. In einer anderen von den Universitäten in Stanford und New York vorgelegten Untersuchung wird nachgewiesen, dass die Bewohner pakistanischer Dörfer unter "Angstzuständen und psychischen Traumata" leiden. [..]

Im Herbst letzten Jahres haben die Vereinten Nationen angekündigt, dass sie die Auswirkungen des Drohnen-Krieges auf die Zivilbevölkerung untersuchen lassen – insbesondere die (den USA vorgeworfenen) "Doppelschläge", bei denen auf den ersten Drohnen-Angriff ein zweiter folgt, der sich gegen die richtet, die (beim ersten Angriff Getroffenen) helfen wollen.

Warum werden Zielpersonen überhaupt getötet und nicht festgenommen?
Regierungsvertreter haben in Reden verkündet [59], Militante würden nur dann getötet, wenn sie eine unmittelbar drohende Gefahr für die USA darstellten und eine Festnahme nicht möglich sei. Es scheint aber viel häufiger zu Tötungen als zu Festnahmen zu kommen, und den Berichten (über Drohnen-Angriffe) ist nicht zu entnehmen, welche unmittelbare Gefahr drohte und was eine Festnahme unmöglich machte. [..]

Gibt es gesetzliche Grundlagen für die Drohnen-Angriffe?
Vertreter der Obama-Administration haben in einer Reihe weitschweifiger Reden versucht, die Drohnen-Angriffe gesetzlich zu untermauern, sich aber niemals zu konkreten Fällen geäußert. Offiziell gibt es den Drohnen-Krieg überhaupt nicht.

Das Weiße Haus betrachtet die 2001 vom Kongress beschlossene "Authorization for Use of Military Force" und das vom Völkerrecht gewährte Recht auf Selbstverteidigung als ausreichende gesetzliche Grundlagen für die Verfolgung von Personen, die Al-Qaide oder "mit ihr verbundenen Gruppierungen" nahe stehen – auch wenn sich diese Personen außerhalb Afghanistans aufhalten. Das gilt auch für US-Bürger.

"Das angewandte gesetzliche Verfahren zieht die Realitäten des Kampfes in Betracht," erklärte Justizminister Eric Holder in einer Rede im März letzten Jahres. Welches "gesetzliche Verfahren" er damit meinte, hat er nicht detailliert ausgeführt. Wie wir bereits berichtet haben, verweigert die Regierung häufig die Antwort auf gezielte Fragen nach der Anzahl der zivilen Opfer oder den Gründen für die Tötung bestimmter Personen. [..]

Wann endet der Drohnen-Krieg?
Die Regierung hat schon wiederholt angedeutet, sie wolle den Drohnen-Krieg auslaufen lassen wollen, nach anderen Berichten ist sie aber gerade dabei, ein langfristig angelegtes Programm für gezielte Tötungen zu entwickeln. Nach US-Schätzungen hat Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel "einige Tausend" Mitglieder; nach Aussagen Offizieller können die USA "aber nicht auch noch den letzten Terroristen, der behauptet, Verbindungen zu Al-Qaida zu haben, fangen oder umbringen". [..]

Welche Rückwirkungen hat der Drohnen-Krieg im Ausland?
Es scheint zahlreiche Rückwirkungen zu geben. Drohnen-Angriffe stoßen in den davon betroffenen Ländern auf starke Ablehnung und rufen häufige Proteste hervor. Trotzdem hat Brennan im August 2012 behauptet, die US-Regierung sähe "kaum Anzeichen dafür, dass diese Aktionen weit verbreitete antiamerikanische Gefühle hervorrufen oder (den Terroristen neue) Rekruten bringen" würden.

General Stanley McChrystal, der die US-Streitkräfte in Afghanistan führte, hat Brennan erst kürzlich heftig widersprochen . Er sagte: "Die Wut, die durch US-Drohnen-Angriffe hervorgerufen wird, ... ist viel größer, als der durchschnittliche US-Bürger glaubt. Sie erzeugen auch bei Menschen einen tiefsitzenden Hass, die noch niemals direkt mit den Auswirkungen eines Drohnen-Angriffs konfrontiert waren. [..] [Auszüge Ende]  [Quellen: luftpost-kl.de ..hier  |  propublica.org ..hier]


Link zum vollständigen, von ' luftpost.de ' übersetzen Originalbericht [PDF- 16 Seiten] ..hier


*) ProPublica ist ein 2007 in New York gegründeter, durch Stiftungen finanzierter US-amerikanischer Non-Profit-Newsdesk für investigativen Journalismus. Erklärtes Ziel der mit 32 festangestellten Journalisten und mehr als 2200 Freiwilligen größten derartigen Organisation ist die Förderung des aus wirtschaftlichen Gründen vernachlässigten investigativen Journalismus in den USA.

Gegründet wurde ProPublica im Oktober 2007 durch die kalifornischen Immobilien-Milliardäre Herbert und Marion Sandler, um den investigativen Journalismus in den USA zu fördern. Mit einem von den Sandlers gespendeten Jahresbudget von 10 Mio. Dollar führen seit 2008 32 Journalisten aufwändige Recherchen durch. Als Chef vom Dienst des Magazins wurde Paul E. Steiger eingesetzt, der diese Position zuvor beim Wall Street Journal innehatte. Die bisher größte bekannte Recherche für den Artikel The Deadly Choices at Memorial nahm zwei Jahre in Anspruch und kostete rund 400.000 Dollar. Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem New York Times Magazine und wurde durch die Kaiser Family Foundation finanziell unterstützt.
[Quelle: Wikipedia ..hier | Lizenz: CC-BY-SA]



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