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13.06.2013 22:05
Draghis Offenbarungseid
In der Pressekonferenz der EZB vergangenen Donnerstag versuchte Präsident Mario Draghi den fragenden Journalisten zu erklären, wo die aufwärtsgerichteten Kräfte in Europa seien. Das war weniger in der Sache erhellend als hinsichtlich der in der EZB herrschenden Vorurteile und Missverständnisse. [..] [Quelle: flassbeck-economics.de]  JWD

So ist das also mit den Lenkern der Europäischen Währungsunion:
Erstens, warten auf den Export!
Das ist die immerwährende Hoffnung aller Neoklassiker. Wenn im Inland gar nichts mehr geht, dann muss doch irgendwo auf der Welt ein keynesianisches Programm gefahren werden, an das man sich dranhängen kann. Wenn Mario Draghi jedoch unter den Ländern, auf deren steigenden Export man als EWU setzen kann, auch noch Deutschland erwähnt, wird es bizarr. Langsam müsste er wissen, dass die deutsche Exportstärke in den meisten Fällen irgendwo anders in Europa Exportschwäche bedeutet und zwar nicht nur in den bilateralen Beziehungen, sondern auch und vor allem auf Drittmärkten.

Hätte er das betont, was er sonst immer in den Vordergrund stellt, nämlich die Zuständigkeit der EZB für die gesamte Union statt für einzelne Länder, dann wäre ihm dieses schwache Argument vielleicht nicht von den Lippen gekommen. Denn es ist geradezu lächerlich, wenn eine so große und so weitgehend geschlossene Volkswirtschaft wie die europäische auf den Export setzt.

Zweitens, die Wirkung der EZB-Politik, die "allmählich ihren Weg durch die Volkswirtschaften finden wird". Der Weg ist allerdings schon ziemlich lang, ohne dass etwas an positiver Wirkung in Sachen private Sachinvestitionen festzustellen wäre, und von Japan wissen wir, dass ein solcher Weg Jahrzehnte dauern kann, wenn es keine anderen Impulse gibt. Nicht zu reden von einer Situation, in der von Seiten der Fiskalpolitik kontraproduktiv agiert wird, nämlich dauernd restriktive Impulse ausgehen, die Mario Draghi bei dieser Gelegenheit vollkommen unerwähnt lässt, vermutlich weil er selbst sie immer wieder als unumgänglich bezeichnet hat.

Drittens - hier wird es ärgerlich oder gar gefährlich, je nachdem wie ernst man Mario Draghis Aussagen nimmt - verweist er auf die fallenden Inflationsraten und wiederholt den auch in Deutschland üblichen Stammtischspruch, dass fallende Inflation höhere Einkommen der Bürger bedeutet. So weit ein Rückgang der Inflation auf fallende Ölpreise zurückzuführen ist, kann man das Argument noch nachvollziehen, obwohl es auch hier Gegenbuchungen im Sinne geringerer Einnahmensteigerungen irgendwo anders auf der Welt gibt. In erster Linie sind aber die fallenden oder weniger steigenden Preise die Folge der fallenden oder weniger steigenden Einkommen in Europa.

In diesem Fall ist das Argument aber komplett falsch, denn dann hat der Bürger nicht mehr in der Tasche, sondern bestenfalls gleich viel, in der Regel aber weniger. Dann kaschieren weniger steigende Preise nämlich nur eine stark deflationäre Tendenz, die von den Löhnen über die Lohnstückkosten auf die Preise durchwirkt. Das nicht näher zu thematisieren, ist allerdings konsequent in einer Welt, in der die offizielle europäische Linie ist, dass alle versuchen müssen, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Preisanpassung nach unten zu verbessern.

Will Mario Draghi nicht verstehen oder kann er nicht verstehen, dass die von Kanzlerin Merkel ausgerufene Politik deflationär ist? [..]

Weiterlesen im Originaltext bei ' flassbeck-economics.de ' ..hier


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Anmerkung:
Wie Heiner Flassbeck im Schlussteil seines Artikels beschreibt liegt das neoklassische Wirtschaftsmodell vollständig daneben. Draghi bekommt selbst das "Allerwichtigste nicht auf die Reihe", wenn er davon ausgeht, dass die Arbeitslosigkeit Ursache die Einkommensschwäche ist. Es ist genau umgekehrt, die Einkommensschwäche ist Ursache für die Arbeitslosigkeit.



 
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