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19.06.2013 00:25
Freihandelsstudie – Scharlatanerie im pseudowissenschaftlichen Gewand
„Deutschland winken 180.000 neue Jobs“ – so frohlockte am gestrigen Tag eine Überschrift bei SPIEGEL Online, als das reichweitenstärkste deutsche Onlinemedium – wie gewohnt vollkommen unkritisch – Zahlen und Satzfragmente aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU nachplapperte. Schaut man sich besagte „Studie“ jedoch einmal genauer an, weiß man nicht, ob man über dieses merkwürdige Elaborat nun lachen oder weinen soll. [Quelle: nachdenkseiten.de / Jens Berger]  JWD

Was im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung da von Hans-Werner Sinns ifo-Institut zusammengeschrieben wurde, hat mit der „sehr guten bis exzellenten Leistungen in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung“, die dem ifo-Institut von der Leibniz-Gesellschaft attestiert werden, nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um einen fortgeschrittenen Fall von Scharlatanerie, dessen Aussagekraft gegen Null geht.

Freihandel schafft Wachstum und Wohlstand – so lautet seit Jahrhunderten das Mantra der markliberalen Wirtschaftswissenschaften. Um den Freihandel zu fördern, sollen daher nicht nur die Zollschranken, sondern auch sämtliche so genannte „Handelshemmnisse“ abgebaut werden. In grauen Vorzeiten, als alleine Deutschland noch von 1.800 Zollgrenzen zerteilt wurde und jeder Flecken seine eigenen Maß- und Gewichtseinheiten hatte, hatten diese Forderungen durchaus ihren Sinn. Im 21. Jahrhundert gibt es jedoch vor allem im transatlantischen Handel, um den es hier geht, kaum Handelshemmnisse. Die Zölle betragen im Schnitt weniger als 3% und die meisten Branchen haben auch einheitliche Reglementarien.

Ausnahmen bestätigen hier freilich die Regel. Würden beispielsweise die USA demnächst die vergleichsweise laschen EU-Zulassungskriterien für Medikamente adaptieren, wäre dies für die europäische Pharmaindustrie so, als ob Geburtstag und Weihnachten auf einen Tag fallen. Umgekehrt würden die amerikanischen Agrarkonzerne jubeln, wenn die EU ihre Richtlinien für „Genmais“, „Hormonrindfleisch“ und „Chlorhühner“ abschaffen würde. Ein solcher Freihandel würde zweifelsohne einzelnen Konzernen zu noch mehr Wachstum und Wohlstand verhelfen, die Verbraucher dies- und jenseits des Atlantiks würden dies jedoch ein wenig anders sehen. Dabei versteht es sich von selbst, dass ein Freihandel, bei dem die Konzerne sich hüben wie drüben an den jeweils strengeren Richtlinien zu orientieren hätten, noch nicht einmal diskutiert wird. Ein solcher Freihandel würde schließlich Wachstum und Wohlstand vernichten und das wollen wir ja alle nicht. Oder?

Die Zielvorgabe der ifo-Studie war somit klar – gebraucht wird ein Ergebnis, mit dem man ordentlich für ein Freihandelsabkommen trommeln kann. Und das ifo-Institut lieferte dieses Ergebnis. Man entwarf dafür zwei Szenarien: Einmal „Freihandelsabkommen light“, bei dem nur die Zölle wegfallen und einmal „Freihandelsabkommen ultra“, bei dem sämtliche nicht näher genannten politisch abschaffbaren „nicht-tarifären Handelsbarrieren“ wegfallen. Es versteht sich von selbst, dass dabei das „Light-Szenario“ nur leichte Vorteile für alle Beteiligten ergibt, während das „Ultra-Szenario“ dies- und jenseits des Atlantiks ein wahres Wirtschaftswunder auslösen soll. Um dieses „Ultra-Szenario“ soll es hier gehen.

Weiterlesen im Originalartikel bei ' nds.de ' ..hier


Passend zum Thema:

18.06.2013
Handelskrieg China - Europa?
Wie Meinungsmacher in vielen anderen Zeitungen auch entrüstet sich "Der Ökonom" (so heißt die Kolumne) in der letzten ZEIT (S. 33) über die Gefahren für den Freihandel, die sich aus dem jüngsten Streit zwischen China und Europa ergeben könnten. "Die Idee des Freihandels ist, dass sich jedes Land auf die Herstellung der Güter spezialisiert, die es am günstigsten produzieren kann.

Der Überschuss an Gütern kann exportiert und für den Erlös können andere Waren importiert werden. ... China zum Beispiel sollte demnach arbeitsintensive Produkte wie Kleidung anfertigen, denn Arbeit ist in Asien relativ günstig. Europa, das höhere Löhne hat, sollte stattdessen Güter herstellen, für die große Produktionsanlagen gebraucht werden".

Man fasst es nicht, aber das Dogma der komparativen Kostenvorteile ist wohl auch in den nächsten tausend Jahren nicht aus der Welt zu schaffen. Da werden in Asien und in China mittlerweile seit Jahrzehnten mit modernster westlicher Technologie alle Arten von Produkten hergestellt, vom T-Shirt bis zu hochmodernen technischen Produkten, und die Ökonomen faseln immer noch über die arbeitsintensive Produktionsweise, auf die sich die Entwicklungsländer gefälligst zu beschränken hätten.

Beiliegend dazu ein Auszug aus meinem Buch: Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts aus dem Jahre 2010 (Seite 58 ff.):

Der freie Handel als Dogma
Nichts ist dem Unternehmer und dem liberalen Politiker so heilig wie der freie Handel. Man darf alles Mögliche sagen, man darf sogar eine der heiligsten aller Kühe, die immer währende Preisstabilität, schlachten, aber man darf niemals etwas gegen den freien Handel sagen. Der Freihandel ist das wichtigste aller Gebote, weil er das Einzige ist, was die liberalen Ökonomen in den letzten 200 Jahren aufgeboten haben, um den Wohlstand zu erklären.

Das klingt seltsam, und ist doch kaum zu bestreiten, wenn man sich die übrigen Elemente anschaut, die in der herrschenden Ökonomie eine Erklärung des Wohlstands bieten sollen. Da ist die Wachstumstheorie, die mit Wachstum allerdings nichts zu tun hat, sondern nur die Aneinanderreihung jener Faktoren ist, die in bestimmten Modellen Wachstum erklären sollen. Das tun sie allerdings nicht, weil sie nur das Modell erklären, aus dem sie stammen. In den neoklassischen Wachstumsmodellen, die sich durchgesetzt haben in den letzten Jahren, gibt es Arbeit und Kapital, die beide, wie könnte es anders sein, entsprechend der (relativen) Preise von Arbeit und Kapital miteinander im Austausch stehen, in denen aber ansonsten der technische Fortschritt vom Himmel fällt. Doch auch in den früheren Modellen war das nicht besser. In dem so genannten, manchmal gar "keynesianisch" genannten Harrod-Domar-Modell entsteht Wachstum, weil es Investitionen gibt. Investitionen aber gibt es, weil es Ersparnisse gibt. Warum es Einkommen und Ersparnisse gibt und wie diese Ersparnisse zu Investitionen werden, kann das Modell leider nicht erklären.

Diese Tautologien wären ein leicht erkennbarer Offenbarungseid für diese so genannte Wissenschaft, gäbe es nicht das Konzept des freien Handels. Der Freihandel ist es, der dem Fach den Anschein einer Wissenschaft verleiht. Denn er erklärt scheinbar, wie durch den Austausch der Völker Wohlstand geschaffen wird. Es ist die einzige Theorie, die wenigstens vorgibt, steigenden Wohlstand erklären zu können. Die Grundidee: Weil immer neue Völker dem System des freien Handels beitreten, vermehrt sich die Möglichkeit eines produktiven Austausches zwischen ihnen. Das ist zwar auch endlich, weil wir sonst irgendwann Völker vom Mars oder von der Venus bräuchten, die neu in die globalisierte Wirtschaft einbezogen werden, aber im Moment funktioniert es noch.


Doch schaut man diese Theorie genauer an, offenbaren sich sofort ihre Schwächen. Diese Theorie basiert im Kern nämlich immer noch auf einem Theorem, das der englische Ökonom David Ricardo vor 200 Jahren in die Welt gesetzt hat. Die damals vorherrschende Befürchtung war, dass der Handel einseitig werden könnte, weil ein Land gegenüber einem anderen bei praktisch jedem handelbaren Produkt im Vorteil wäre. Um solche absoluten Vorteile auszugleichen, müsste das unterlegene Land durch Protektionismus dafür sorgen, dass auch seine Produzenten eine Chance zum Überleben haben.

Weiterlesen im Originalartikel bei ' flassbeck-economics.de' ..hier


 
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