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12.04.2014 00:15
Das Märchen vom kranken Mann in Europa
Was ist dran an der gebetsmühlenartig immer wieder verkündeten Behauptung neoliberaler Apologeten, dank ihrer Sozialabbau-Reformen sei Deutschland vom "Kranken Mann Europas" zur Wirtschaftslokomotive geworden? Friederike Spiecker hat sich in ihrem gestern auf 'flassbeck-economics' veröffentlichtem Artikel damit auseinander gesetzt. Wie nicht anders zu erwarten, wurde einmal mehr offenkundig, wie Fakten verkehrt und der daraus resultierende Unsinn, mit Hilfe der einschlägigen Medien in die Köpfe der Menschen transferiert wird.  JWD

Friederike Spiecker schreibt:

11.04.2014
Verlor Deutschland nach der deutschen Wiedervereinigung an internationaler Wettbewerbsfähigkeit?

Der Einbruch der deutschen Leistungsbilanz nach der deutschen Wiedervereinigung und das ein Jahrzehnt lang anhaltende Defizit, das diese Bilanz anschließend aufwies (vgl. Abbildung 1), hat die Vorstellung begründet, Deutschland habe im Zuge der Wiedervereinigung an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Denn ein Land, das sich im Ausland netto verschuldet, verkauft dorthin offenbar weniger Güter, als es von dort bezieht, ist also an den internationalen Märkten nicht so erfolgreich wie andere.

Das muss an der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit liegen, jedenfalls dann, wenn der Saldo längere Zeit im negativen Bereich verharrt. Sollte man meinen. Aber stimmt das im Fall Deutschlands wirklich? Und warum sollte diese historische Betrachtung einen Beitrag auf flassbeck-economics wert sein, wo sich doch alles mittlerweile in Wohlgefallen aufgelöst und das Defizit in einen satten Überschuss verwandelt hat?


Quelle: flassbeck-economics.de | Abb 1 LeiBiNun,

die Betrachtung der historischen Fakten lohnt sich allemal, wenn aus ihnen Schlussfolgerungen gezogen oder gar wirtschaftspolitische Empfehlungen entwickelt werden. Und dass das im Fall des deutschen Leistungsbilanzdefizits in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre getan worden ist und heute in der Rückschau immer noch getan wird, steht außer Frage. Die Vorstellung vom Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit lieferte nämlich in Verbindung mit den hohen Arbeitslosenzahlen die Begründung für die deutsche Lohnmoderation und die Agenda 2010.

Die Mehrzahl der deutschen Ökonomen, sehr pointiert der Sachverständigenrat, die Deutsche Bundesbank, die Europäische Zentralbank (EZB) bis hin zur EU-Kommission (von den deutschen Regierungen unter Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel ganz zu schweigen) haben alle betont und tun das bis heute, dass Deutschland keine andere Wahl hatte, sich über Lohnmoderation und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes aus der hohen Arbeitslosigkeit sozusagen herauszuarbeiten.

Dabei setzte die Lohnzurückhaltung, wie erst jüngst in einer Studie von vier Ökonomen analysiert wurde, nicht erst mit der Agenda 2010 unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder 2003 ein, sondern schon Mitte der 1990er Jahre. Damals wurde zwischen den Tarifparteien und der Regierung verabredet, den Problemen am Arbeitsmarkt dadurch zu Leibe zu rücken, dass man einen Teil der Produktivitätssteigerung nicht in den Löhnen an die Beschäftigten weitergebe, sondern für die Steigerung der Beschäftigung ‘reserviere’ und Öffnungsklauseln in die Flächentarifverträge aufnehme.

Damit begann die konkrete Umsetzung des jahrelang geäußerten Credos des Sachverständigenrates, der, als die Erfolge dann zehn Jahre lang ausblieben, nicht seine Diagnose und Therapie in Frage stellte, sondern ständig eine höhere Dosis seiner Medizin, d.h. noch mehr Lohnzurückhaltung und noch mehr Flexibilisierung, empfahl. [..] [Quelle: flassbeck-economics.de]

Weiterlesen im Originaltext bei ' flassbeck-economics.de ' ..hier

 
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