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14.02.2015 22:00
Nobody Understands Debt – Verschuldung wird nicht richtig verstanden
Viele Volkswirte, Janet Yellen eingeschlossen, sehen die globalen Wirtschaftsprobleme seit 2008 hauptsächlich als eine Sache des “Schuldenabbaus” – als ein simultanes Bemühen von Schuldnern fast überall auf der Welt, ihre Schulden zu verringern. Warum Schuldenabbau ein Problem ist? Weil meine Ausgaben dein Einkommen sind und deine Ausgaben mein Einkommen, und weil die Einkommen weltweit sinken, wenn alle zur gleichen Zeit ihre Ausgaben senken. Von Paul Krugman aus dem Englischen übersetzt von Sabine Tober  [Quelle: NachDenkSeiten] JWD

Oder, wie Ms. Yellen das 2009 ausdrückte: “Vorsichtsmaßnahmen, die für Einzelpersonen oder einzelne Unternehmen vernünftig sein mögen – und die tatsächlich einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass unsere Wirtschaft sich wieder normalisiert – verschärfen allerdings die Notlage der Wirtschaft als Ganzes.

Und wie viel Fortschritt haben wir nun dabei gemacht, die Wirtschaft in diesen “Normalzustand” zurückzubringen? Überhaupt keinen. Sehen Sie, die Politiker haben ihre Maßnahmen auf einem falschen Schuldenverständnis aufgebaut, und ihre Bemühungen, das Problem zu lösen, haben alles nur noch verschlimmert.

Zunächst die Fakten: Das McKinsey Global Institute hat letzte Woche einen Bericht mit dem Titel “Veschuldung und (nicht viel) Schuldenabbau” herausgegeben, der im Grunde genommen feststellt, das kein Land es geschafft hat, die Gesamtverschuldung im Verhältnis zum BIP zu senken. Die Staatsverschuldung ist in einigen Ländern gesunken, besonders in den Vereinigten Staaten. Doch in anderen ist sie gestiegen, und selbst da, wo die privaten Schulden signifikant sanken, ist die Staatsverschuldung stärker gestiegen als die private Verschuldung gesunken ist.

Nun könnte man ja denken, das Versäumnis, den Verschuldungsgrad zu senken, zeige nur mangelndes Bemühen – private Haushalte und Regierungen hätten sich nicht ernsthaft bemüht, den Gürtel enger zu schnallen, und was die Welt brauche, sei, nun ja, mehr Austerität. Aber wir erleben ja gerade eine nie zuvor dagewesene Austerität. Wie der Internationale Währungsfonds aufzeigt, sind die staatlichen Realausgaben, Zinsen ausgenommen, in allen reichen Ländern gesunken – es gab scharfe Einschnitte bei den notleidenden Schuldnern Südeuropas, aber es gab auch Kürzungen in Ländern wie Deutschland und den USA, die doch Gelder zu den niedrigsten Zinsen ihrer Geschichte aufnehmen könnten.

Tatsächlich hat diese ganze Austerität alles nur noch schlimmer gemacht – wie vorauszusehen war, weil die Forderung, alle sollten den Gürtel enger schnallen, auf einem Missverständnis der Rolle von Verschuldung in der Wirtschaft basiert.

Dieses Missverständnis ist immer dann am Werk, wenn jemand auf die Haushaltsverschuldung mit Sprüchen wie “Hört auf, von unseren Kindern zu stehlen” schimpft. Das klingt gut, wenn man nicht weiter darüber nachdenkt: Familien, die sich stark verschulden, machen sich ärmer, ist das dann nicht ganz genauso, wenn man sich die gesamte Staatsverschuldung ansieht?

Nein, das ist es nicht. Eine verschuldete Familie schuldet anderen Leuten Geld; Die Weltwirtschaft als Ganzes aber schuldet sich selber Geld. Und obwohl es stimmt, dass Länder von anderen Ländern Gelder leihen können, hat Amerika tatsächlich seit 2008 weniger als zuvor von anderen Staaten geliehen, und Europa hat einen Finanzierungsüberschuss in seinem Verhältnis zum Rest der Welt.

Weil Haushaltsschulden Gelder sind, die wir uns selbst schulden, machen sie die Wirtschaft nicht direkt ärmer (so wie die Rückzahlung uns nicht reicher macht). Ja, Verschuldung kann eine Gefahr für die Finanzstabilität sein – aber die Lage wird nicht dadurch besser, dass Versuche des Schuldenabbaus die Wirtschaft schließlich in Deflation und Depression treiben.

Was uns zurück zur Gegenwart bringt, denn es gibt eine direkte Verbindung zwischen dem allgemeinen Scheitern des Schuldenabbaus und dem Entstehen politischer Krisen in Europa.

Die europäischen Spitzenpolitiker haben sich völlig der Vorstellung verschrieben, die Wirtschaftskrise sei durch zu hohe Ausgaben verursacht worden, durch Länder, die über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Der Weg in die Zukunft, so Kanzlerin Merkel, sei eine Rückkehr zur Frugalität. Europa, so sagte sie, solle der sparsamen schwäbischen Hausfrau nacheifern.

Das war ein Rezept für Desaster im Zeitlupentempo. Europas Schuldner mussten tatsächlich den Gürtel enger schnallen – doch die Sparmaßnahmen, zu denen sie praktisch gezwungen wurden, waren unglaublich grausam. Deutschland und andere Länder indessen – deren Ausgaben eigentlich steigen sollten, um die Sparmaßnahmen in der Peripherie auszugleichen – versuchten auch zu sparen. Das Ergebnis war ein Umfeld, in dem eine Senkung des Verschuldungsgrades unmöglich war: Das reale Wachstum verlangsamte sich zum Kriechtempo, die Inflation sank auf beinahe Null und in den am meisten betroffenen Ländern herrscht inzwischen unumwundene Deflation.

Die gequälten Wähler haben diese Desaster-Politik erstaunlich lange hingenommen, weil sie den Versprechen ihrer politischen Elite, all die Opfer würden bald belohnt, Glauben schenkten. Als aber die Qualen immer weiter gingen, ohne dass es irgendeinen sichtbaren Fortschritt gegeben hätte, war eine Radikalisierung unvermeidlich. Und alle, die von dem Sieg der Linken in Griechenland oder dem akuten Anstieg der regierungsfeindlichen Kräfte in Spanien überrascht worden sind, haben nicht aufgepasst.

Niemand weiß, was als Nächstes geschehen wird, die Wetten allerdings stehen eher zugunsten eines Austritts Griechenlands aus dem Euro. Womöglich bleibt der Schaden darauf begrenzt, aber das glaube ich nicht – ein griechischer Austritt aus dem Euro gefährdet das gesamte europäische Währungsprojekt wohl doch zu sehr. Und sollte der Euro wirklich untergehen, dann müsste auf seinem Grabstein stehen: “Er starb an einer Fehleinschätzung”.

Link zum Originaltext bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier


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