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02.06.2015 11.00
Dschihadisten im Dienst des Imperialismus
Die westlichen Regierungen machen kein Geheimnis daraus,
dass sie die Dschihadisten benutzen. So hat die Nato beim Sturz Muammar
al-Gaddafis als einzige Bodentruppe al-Qaida benutzt; Israel hat die Truppe der
Vereinten Nationen von den Golanhöhen weggeschickt und durch al-Nusra ersetzt;
das internationale Bündnis gegen Daesh (IS) hat Palmyra fallen gelassen, um
Syrien zu schaden. Aber während man die Interessen des Westens versteht, kann
man doch nicht begreifen, warum und wie die Dschihadisten für Onkel Sam arbeiten
können. [Quelle: voltairenet.org] JWD
Von Thierry Meyssan | Voltaire Netzwerk |
Damaskus (Syrien) | 1. Juni 2015
Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Scheich Jussuf al-Qaradawi, Starprediger der
Muslimbruderschaft und
TV-Koranist bei al-Jazeera. Er lobt die Dschihadisten in Syrien und im
Irak
und versichert, ohne zu lachen, dass Mohammed, wenn er heute
am Leben wäre, sich mit der Nato verbünden würde.
Man fragt sich oft, wie das Pentagon und die CIA es schaffen, Millionen von
Moslems zu manipulieren und in den Kampf für die Interessen Onkel Sams zu
schicken. Sicher, manche Führer sind bezahlte Agenten, aber die Dschihadisten
insgesamt glauben, dass sie kämpfen und sterben, um ins Paradies zu kommen. Die
Antwort ist kinderleicht: Mit der Rhetorik der Muslimbrüder ist es möglich, sich
der menschlichen Wirklichkeit zu entziehen und sie zum Töten – gleichgültig von
wem – zu schicken, sobald man ein rotes Tuch vor ihnen schwenkt.
Offiziell erkennt der Islamische Staat die Autorität von Aiman al-Sawahiri nicht
an und hat sich daher von al-Qaida abgespalten. Dennoch bleibt es an vielen
Orten wie in der Region Qalamoun unmöglich, sie auseinander zuhalten, dieselben
Dschihadisten beanspruchen beide Etikettierungen gleichzeitig.
Man könnte sicher einwenden, dass diese Streitigkeiten nur eine Frage der
beteiligten Personen sind und Abu Bakr al-Baghdadi einfach der Chef an der
Stelle des Chefs werden wollte. Doch wenn die beiden Organisationen auch genau
dieselbe Vorgehensweise haben, so entwickeln sie doch eine sehr unterschiedliche
Rede.
Ihre Gemeinsamkeit sind die Slogans der Muslimbrüder: „Der Koran ist unsere
Verfassung“. „Der Islam ist die Lösung“. Das fromme Leben ist daher sehr
einfach. Unwichtig, dass der Schöpfer uns zu intelligenten Wesen gemacht hat –
unter allen Umständen muss das Wort Gottes wie eine Maschine angewendet werden.
Und wenn der konkrete Fall nicht im Buch behandelt ist, genügt es, alles zu
zerschlagen. Das Ergebnis ist offensichtlich katastrophal und nirgendwo waren
diese Organisationen in der Lage, die allerersten Anzeichen der vollkommenen
Gesellschaft, die sie in ihren Gelübden beschwören, zu begründen.
Ihre Geschichte macht ihre Unterschiedlichkeit aus. Von 1979 bis 1995, das heißt
von den CIA-Operationen in Afghanistan bis zur Arabischen und Islamischen
Volkskonferenz von Khartum haben die Söldner von Osama bin Laden mit staatlicher
Unterstützung der Vereinigten Staaten gegen die Sowjetunion gekämpft.
Von 1995 bis 2011, das heißt von der Konferenz in Khartum bis zur Operation
„Neptuns Speer“ hat al-Qaida gegen „die Juden und die Kreuzritter“ Stellung
bezogen, während sie den Kampf gegen Russland in Jugoslawien und in
Tschetschenien fortführte.
Und seit 2011, das heißt seit dem „Arabischen Frühling“, unterstützt sie die
Nato in Libyen und in Israel an der Golan-Grenze.
Im Allgemeinen hat die westliche öffentliche Meinung dieser Entwicklung nicht
folgen können. Sie ist überzeugt von der Gefahr eines sagenhaften russischen
Expansionismus, bleibt dabei, den Dschihadisten die Attentate des 11. September
zuzuschreiben, hat nicht begriffen, was sich in Libyen und an der israelischen
Grenze ereignet hat und erhält infolgedessen die irrtümliche Einschätzung
aufrecht, dass al-Qaida eine antiimperialistische terroristische Organisation
wäre. Die Araber selbst stützen sich
nicht auf Fakten, sondern suchen sich je nach Fall die Wirklichkeit oder die
westliche Propaganda aus, um eine romantische Erzählung zu erfinden.
Der Islamische Staat seinerseits hat sich vom Koran entfernt und nähert sich den
Neokonservativen an. Er versichert, der vorrangige Feind seien andere Moslems:
die Schiiten und ihre Verbündeten. Er vergisst dabei die bosnische Episode, in
der Bin Ladens arabische Legion gleichzeitig von den Vereinigten Staaten,
Saudi-Arabien und dem Iran unterstützt wurde. Aber wer sind die Verbündeten der
Schiiten? – die Syrische Arabische Republik und der (sunnitische)
Palästinensische Islamische Dschihad. Mit anderen Worten, der Islamische Staat
kämpft vorrangig gegen die Achse des Widerstands gegen den Imperialismus. De
facto übernimmt er die Rolle eines objektiven Verbündeten der Vereinigten
Staaten und Israels im „erweiterten Vorderen Orient“, selbst wenn er theoretisch
behauptet, deren Feind zu sein.
Die Biegsamkeit der beiden Organisationen ergibt sich aus der zugrunde liegenden
Ideologie, der der Muslimbruderschaft. Es ist also logisch, das quasi die
Gesamtheit der Führer der Dschihadisten zum einen oder anderen Zeitpunkt in dem
einen oder anderen Zweig der Bruderschaft Mitglied gewesen ist. Gleichermaßen
ist es logisch, dass die CIA nicht nur die ägyptischen Muslimbrüder unterstützt
hat, seit sie 1955 durch Präsident Eisenhower im Weißen Haus empfangen wurden,
sondern alle ihre ausländischen Zweige und alle ihre Dissidentengruppen.
Schließlich ist das Kalifat, von dem
Hassan al-Banna träumte und das Aiman al-Sawahiri und Abu Bakr al-Baghdadi
angeblich anstreben, nicht die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters des Islam,
sondern die Herrschaft der systematischen Volksverdummung.
Das bestätigte Laurent Fabius 2012, also vor der Trennung von al-Qaida und Daesh,
als er erklärte: „Auf dem Boden machen sie einen guten Job!“
Link zum Originaltext bei ' voltairenet.org '
..hier
Thierry Meyssan: Präsident und Gründer des Réseau Voltaire
und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über ausländische
Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen Presse. Letztes,
auf Französisch veröffentlichte Werk : L’Effroyable imposture : Tome 2,
Manipulations et désinformations (hg. JP Bertand, 2007).
Autor: Thierry Meyssan | Übersetzung:
Sabine
Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative
Commons (Lizenz
CC BY-NC-ND).
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