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25.08.2015 00:00
Schäuble will Wohlstandsstaat abschaffen:
Varoufakis – Das Interview

Stephan Lamby im Gespräch mit Yanis Varoufakis  -    Im Interview gibt der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis über die langwierigen Verhandlungen mit den Geldgebern und sein politisches Verhältnis zum deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Auskunft. [Quellen: phoenix | nds.de] JWD

That’s interesting. Let’s talk

Der preisgekrönte Dokumentarfilmer Stephan Lamby hatte mit den Arbeiten für ein Porträt des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble begonnen. Dafür wollte er auch den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gewinnen. Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Im April traf er den unkonventionellen Politiker auf dem Bürgersteig vor dem IWF in Washington. Beide hatten das Gebäude verlassen, um kurz Luft zu schnappen.

Varoufakis war sofort bereit, über Schäuble zu sprechen: „That’s interesting. Let’s talk.“   [Quelle: phoenix]

Das Wichtigste in Kürze (auf deutsch):
    Welche Rolle spielt Wolfgang Schäuble innerhalb der Eurogruppe?

    Die Eurogruppe trägt eindeutig die Handschrift von Wolfgang Schäuble. Ohne Zweifel gibt Schäuble den Kurs der Eurogruppe vor – besonders, weil es ein paar Länder gibt, die wie Vasallen um die Gunst der deutschen Regierung buhlen.
    Warum dominiert Wolfgang Schäuble die Eurogruppe?

    Wegen der wirtschaftlichen Macht Deutschlands. Die Eurogruppe ist kein demokratisches Gebilde, sondern eine Ansammlung von Geldgebern und Schuldnern. Deutschland ist der Wirtschaftsmotor der Eurozone und der Hauptgeldgeber. Deshalb ist der Finanzminister Deutschlands die mächtigste Person in der Eurogruppe.

    Wie sieht der Masterplan von Wolfgang Schäuble für die Eurozone aus?

    Schäuble weiß, dass die Eurozone sehr fragil ist und mit ihrer heutigen Struktur die nächste Finanzkrise nicht überstehen kann. Deshalb will er eine engere politische Union mit so etwas wie einem Finanzminister der Eurozone, der ein Vetorecht über nationale Budgets hat und einen gewissen Spielraum, sie umzuverteilen. Er will eine Fiskalunion auf niedrigem Niveau, vielleicht durch eine richtige Bankenunion, vielleicht durch einen gemeinsamen Arbeitslosenfonds. Um diesen Plan durchzusetzen, braucht er den Grexit. Der Grexit soll die Regierungen der Eurozone einschüchtern, soll ihnen die Notwendigkeit der gewünschten Strukturreformen vor Augen führen.

    Woher wissen Sie, dass Schäuble den Grexit wollte?

    Er sagte mir ganz ehrlich, Griechenland habe in der Eurozone nichts zu suchen, weil es seine Zusagen nicht einhalten könne und wolle.

    Wann erfuhren Sie, dass Schäuble den Grexit wollte?

    Zum ersten Mal sagte er es mir bei einem Treffen im März. Alle unsere Vorschläge stießen bei ihm auf taube Ohren. Aus seiner Sicht war Griechenland innerhalb der Eurozone nicht reformfähig. Deshalb versuchte er mich zu überzeugen, dass ein Grexit gut für Griechenland und für Europa sei.

    Warum haben Sie nicht öffentlich darüber gesprochen?

    Als Finanzminister durfte ich das nicht, es hätte das Vertrauen in die Eurozone zerstören und den Grexit auslösen können.
    Warum haben Sie das Angebot eines einvernehmlichen Grexit nicht angenommen?
    Weil ich nicht an den Grexit glaube. Außerdem hatte Schäuble von der Bundeskanzlerin kein Mandat für den Grexit. Er konnte daher auch keinen geordneten Grexit versprechen.

    Sie behaupten also, dass Merkel und Schäuble in Bezug auf den Grexit uneinig waren?

    Ich weiß das aus sicheren Quellen, die ich ihnen nicht nennen will.

    Hatten Sie einen Plan für eine alternative Währung?

    Nein, nicht für eine alternative Währung. Es gab aber einen Plan für ein alternatives Bezahlsystem in Euro. Mit diesem hätten wir im Notfall – wenn die EZB unsere Banken lahmzulegen versucht – die Funktionsfähigkeit der griechischen Banken für einige Zeit aufrecht erhalten können. Diese Zeit hätten wir nutzen können, um doch noch mit Merkel, Hollande und Juncker akzeptable Bedingungen für einen Verbleib Griechenlands im Euro auszuhandeln.

    Warum haben Sie diesen Plan nicht umgesetzt?

    Als der Ernstfall eintrat (nach Ankündigung des Referendums), wurde ich von unserem „Kriegskabinett“ überstimmt. Alexis Tsipras konnte dann nur noch kapitulieren.

    Warum sind Sie zurückgetreten?

    Unser „Kriegskabinett“ hat seit Ende April bei wichtigen strategischen Entscheidungen nicht mehr auf mich gehört. Ich bin damals nicht zurückgetreten, weil wir weiterhin um akzeptable Bedingungen für den Verbleib Griechenlands im Euro kämpften.

    Zum Zeitpunkt des Referendums habe ich im Kriegskabinett dafür plädiert, unsere eigene Liquidität zu erzeugen. Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen. Wir mussten daher die Banken schließen. Ich habe das umgesetzt, obwohl ich wusste, dass wir dadurch jede Chance für weitere Verhandlungen einbüßten.

    Wir rechneten damit, dass die griechische Bevölkerung beim Referendum mit „Ja“ stimmt. Dann wären wir zurückgetreten und hätten der nächsten Regierung die Umsetzung der Maßnahmen überlassen, ohne ihr im Weg zu stehen. Es hätte ja dem Willen des Volkes entsprochen.

    Die Frage war, was wir machen, wenn die Bevölkerung mit „Nein“ stimmt. Für mich war klar, dass wir dann den Bedingungen der Eurogruppe nicht zustimmen durften.

    Als die Ergebnisse des Referendums vorlagen, plädierte ich dafür, unsere eigene Liquidität zu schaffen und die Verhandlungen fortzusetzen. Das „Kriegskabinett“ entschied sich aber für die Kapitulation.

    In dieser Situation war ich zum Rücktritt gezwungen. Ich wollte nicht der Finanzminister sein, der das Gegenteil dessen machte, wofür sich die griechische Bevölkerung im Referendum ausgesprochen hatte.

Dazu: Varoufakis wirft Schäuble vor, Frankreich angreifen zu wollen

Schäubles Sparpolitik folge einem höheren Ziel, behauptet Yanis Varoufakis in einem Interview: Schäuble wolle den französischen Wohlfahrtsstaat abschaffen.

Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat in einem Interview mit der französischen Zeitung Le monde Wolfgang Schäuble scharf kritisiert. Schäubles Ziel sei es, mit seiner Sparpolitik den französischen Wohlfahrtsstaat anzugreifen. Deshalb baue Schäuble den Grexit als Drohkulisse auf, sagte Varoufakis. [Quelle: Zeit Online]

 
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