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01.09.2015 22:20
„Wandel durch Konfrontation“ –
das scheint die neue ostpolitische Linie zu sein

Es ist allgemein bekannt, dass sich die Verantwortlichen der Ostpolitik um Willy Brandt Anfang der sechziger Jahre eine politische Strategie ausgedacht hatten: Sie wollten eine innere Veränderung in der Sowjetunion und im Warschauer-Pakt dadurch erreichen, jedenfalls möglich machen, dass die Konfrontation abgebaut wird. Auf Zusammenarbeit sollte der Westen umstellen, „vertrauensbildende Maßnahmen“, wie es damals etwas bürokratisch hieß, waren gefordert und auch umgesetzt. Jetzt wird die gegenteilige Strategie gefahren. [Quelle: nds.de / Albrecht Müller] JWD

De facto jedenfalls, von vielen sicherlich so nicht gewollt: der Westen geht in die Konfrontation, es werden Sanktionen verhängt, es wird böse vom anderen gesprochen und geschrieben. Eigentlich müsste man wissen, dass genau dies zu einer Verschlechterung der inneren und rechtspolitischen Lage in Russland führen kann. Diese Verhärtung nimmt man offensichtlich billigend in Kauf. – Jetzt ist „rechtzeitig“ zum Antikriegstag im offiziellen Blatt des Deutschen Bundestags „Das Parlament“ ein beispielhaftes Stück und ein Beleg für den neu begonnenen kalten Krieg erschienen (Quelle: Das Parlament). In den Hinweisen von heute ist schon darauf hingewiesen worden. Siehe hier: Der Putin-Komplex, Untertitel: „In Deutschland gibt es zu viel Verständnis für die friedensgefährdende Politik Moskaus“.

„Das Parlament“ ist nicht irgendwas, nicht irgend ein Stück Papier. Dahinter steht die Autorität des Deutschen Bundestags; „Das Parlament“ wird kostenlos weit verbreitet. Ein grundlegender Artikel wie jener des Historikers Gerd Koenen erscheint dort nicht ohne offene oder zumindest stillschweigende Zustimmung des Bundestagspräsidenten und vermutlich auch nicht ohne Kenntnis der Präsidiumsmitglieder, vielleicht mit Ausnahme des Mitglieds der Linkspartei.

Wenn Sie sich für das Thema der neuen Konfrontation zwischen West und Ost und für das traurige Begräbnis der „Gemeinsamen Sicherheit in Europa“ interessieren, dann sollten Sie den Text von Koenen lesen. Ich will meinerseits ein paar Hinweise dazu geben:
  1. Koenen tut so, als habe der neue kalte Krieg mit der sogenannten Annexion der Krim und der Entfesselung eines Sezessionskriegs (so nennt er das) im Osten der Ukraine begonnen. Kein Wort zu den dokumentierten milliardenschweren Versuchen der USA, in der Ukraine gegen Russland zu mobilisieren. Kein Wort von der dem Geist der Verabredungen von 1989 ff widersprechenden Ausdehnung der NATO bis an die Grenzen Russlands. Kein Wort vom Putsch in der Ukraine.

     
  2. Die sogenannten Farbenrevolutionen und ihre Bedeutung für die Destabilisierung in verschiedenen Ländern werden von Koenen oberflächlich abgehandelt.

     
  3. Mit einer dümmlichen Polemik gegen Putin und seinen „frisch vergoldeten Zarenthron“ heizt der Autor Emotionen an.

     
  4. Koenen polemisiert gegen jene überparteiliche Initiative von Politikern, die gegen die neue Konfrontation zwischen West und Ost mit dem Aufruf „Nicht in unserem Namen“ angetreten sind.

     
  5. Egon Bahr wird zusammen mit Winfried Scharnagel und Antje Vollmer einer weit ausgefächerten Querfront zugeordnet. Siehe dazu auch den Kommentar beim heutigen Hinweis.

     
  6. Unsere Medien nennt Koenen „unbestechliche Qualitätsmedien“. Das ist nicht als Lachnummer gedacht sondern ernst gemeint. Von diesen sogenannten Qualitätsmedien hat nach meinen Recherchen keines mit einem kritischen Kommentar oder mit einer Analyse auf die neue Ausgabe von „Das Parlament“ reagiert. Das spricht Bände. Man hat es RT Deutsch überlassen, den der Eigenwerbung entsprechenden „fehlenden Part“ zu übernehmen. Siehe hier: Bundestags-Zeitung „Das Parlament“ als Vorkämpferin für Hetze …
Mir ist angesichts dieses Textes in „Das Parlament“, ein Blatt das mich Jahrzehnte begleitet hat, nicht zum Lachen zumute. Hier wird von offizieller Seite und von einem Medium mit Autorität auf Feindmodus umgeschaltet und es wird damit billigend oder willentlich in Kauf genommen, dass in Russland jene Kräfte gestärkt werden, denen man nicht vertrauen kann und vor denen man sich fürchten muss. Das ist die Konfrontation, die manche und offenbar viele im Westen wollen. Und das kann insgesamt kriegsentscheidend sein.

P.S.: Wenn Sie auf das Blatt „Das Parlament“ in Schulen oder bei ihrem Abgeordneten stoßen, dann klären Sie bitte auf.

Link zum Originaltext bei ' nds.de ' ..hier


Nachtrag:

Heute, am 02.09.2015 hat Albrecht Müller in den NachDenkSeiten folgenden Nachtrag veröffentlicht:

2. September 2015 um 12:56 Uhr
Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) –
ein fruchtbarer Schoß für Grüne und „Das Parlament“

Verantwortlich:

Der Autor des gestern besprochenen Artikels in der Zeitung des Deutschen Bundestags „Das Parlament“, Gerd Koenen, kommt nicht von nirgendwo. Er kommt wie eine bemerkenswert lange Reihe von Grünen vom KBW bzw. KB. Ein Leser der NachDenkSeiten, Detlef Bimboes, machte darauf aufmerksam, dass wir versäumt hatten, über den die Herkunft des Autors und den Einfluss dieser Gruppe zu unterrichten. Entschuldigung, wir holen das nach, indem wir Detlef Bimboes Mail zitieren, und dann noch einen anderen Leserbrief und eine Mail von Willy Wimmer an den Chefredakteur des „Parlament“. Albrecht Müller.

Mail von Detlef Bimboes vom 1.9.2015:

Betrifft: der Putin-Komplex
Sehr geehrte Damen und Herren,

Autor Gerd Koenen als ehemaliger Maoist des KBW ist eine inhaltliche Zumutung. Ich weiß noch ganz genau als langjähriger Sozialdemokrat und seit 2004 in der Linkspartei, was diese Leute damals für einen politischen Mist erzählt haben. Als sie merkten, dass dieser linksradikale Blödsinn ohne Massenanhang blieb, sind sie umgeschwenkt, wechselten in Scharen zu den Grünen und wurden mehr und mehr wieder zu einem festen Bestandteil des Bürgertums, das sie sowieso von ihrer sozialen Herkunft nie richtig verlassen hatten. Geblieben sind der bürgerliche Hass auf den Staat und die gesellschaftlich tief verankerte Russophobie. Damit sind für mich die meisten dieser ehemaligen KBW-Leute wie Koenen Wegbereiter zerrütteter Gesellschaften und neuer Kriege.

Koenens Positionen zu Putin und Russland sind im Kern die alten von damals geblieben. Sie schrieben sich die Finger wund über den Sowjetimperialismus. Die Härte der Kritik ließ schon damals ihre russland-feindliche Grundeinstellung und zu den dort politisch tätigen Politikern durchschimmern. Willy Brandt`s Friedens- und Entspannungspolitik, die ich immer richtig und alternativlos gefunden habe und die heute nötiger denn je ist, wurde vehement bekämpft.

Mit freundlichen Grüßen
Detlef Bimboes

Erste Zwischenbemerkung Albrecht Müller:

Es ist erstaunlich, dass die SPD und vor allem der sozialdemokratische Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, zu der Veröffentlichung des Artikels von Koenen schweigen. Das müsste sie doch angesichts der im Artikel enthaltenen Polemik gegen die Ostpolitik und damit gegen einen wichtigen Teil der Erfolge der SPD auf die Palme bringen.

Und es ist erstaunlich, dass die deutschen „Qualitätsmedien“ offensichtlich in sich versunken sind.

Zweite Zwischenbemerkung:

Funktioniert der Einfluss der alten KBW/KB- Mitglieder und Funktionäre ohne Steuerung? Und ohne Hilfe Dritter? Funktioniert so etwas ohne eine Seilschaft und ohne eine gezielte Platzierung dieser Leute?

Immerhin, das Seil ist lang und die Platzierungen waren gewinnbringend: Joschka Fischer Außenminister; sein Freund Joscha Schmierer sein Berater im Planungsstab des Auswärtigen Amtes; Ralf Fücks Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung; Reinhard Bütikofer Vorsitzender der Grünen a.D.; Winfried Kretschmann Ministerpräsident; Krista Sager Ex-Senatorin in Hamburg, usw.. Schon in seiner Ausgabe Nummer 5 von 2001 berichtete der Spiegel unter der Überschrift „Salz in der grünen Suppe“ darüber, „Wieweit die Altkommunisten die Ökopartei infiltrierten, dominierten und finanzierten.“ Alles irgendwie vergessen.

Solange man nichts Genaues weiß, muss man glauben, dass die Platzierung der einzelnen Alt-K-Gruppenangehörigen ohne Steuerung aus dem Hintergrund gelaufen ist. Vielleicht finden sich jedoch irgendwann Geheimdienstmitarbeiter/innen, die einen positiven Beitrag zur Aufklärung leisten können und wollen. Sie sind herzlich eingeladen.

Ein weiterer Leserbrief zum Artikel im „Parlament“:

Betrifft: Wandel durch Konfrontation
Vertraege hin, Vertraege her …
Zum Beitrag von Herrn Koenen in „Das Parlament“ (Zitat: Das Russland Wladimir Putins … die 1991 vertraglich fixierte Ordnung des postsowjetischen Raums in Frage zu stellen …) kann ich lediglich hinzu fuegen: Russische Kaufleute hatten keine Vertraege, da galt nur das Ehrenwort. Wer sein Wort brach, wurde automatisch aus dem Kreis der Ehrenleute ausgeschlossen. Der Westen gab 1990 der Sowjetunion ein Ehrenwort, naehmlich das Versprechen, die NATO nicht weiter als bis zur Oder-Neisse-Grenze zu stationieren. Dieses ist nie in Vertraege gekleidet worden. Es war ein Ehrenwort. Nach westlichem Verstaendnis nichts wert. Der Westen hat sein Antlitz verloren. Jetzt die Russen zu beschuldigen, sie kuendigten Vertrage auf, ist infam. Die Reaktionen der Russen sind mir zuhoechst verstaendlich, ich lebe bereits 25 Jahre mit ihnen.

Beste Gruesse aus Moskau
Dr.med. Ralf Beckert

Und hier noch die Mail von Willy Wimmer vom 30. August 2015 an den Chefredakteur von Das Parlament:

Sehr geehrter Herr Biallas,

in der von Ihnen zu verantwortenden Zeitschrift „Das Parlament“ wurde zuletzt durch Herrn Koenen über eine angeblich bestehende „Putin-Doktrin“ geschrieben und Klage darüber geführt, daß in Deutschland zu viel Verständnis für die russische Politik bestehe. Das ist eine steile These, da in Deutschland nicht vergessen ist, in welchem Maße durch die amerikanische Politik auf dem Maidan-Platz in Kiew die Bedeutungslosigkeit nicht nur der Bundesregierung und daneben der Regierung der Französischen Republik und der Republik Polen dokumentiert worden ist. Es waren schließlich die Außenminister dieser drei Länder, die mit ihren Bemühungen um einen friedlichen Machtübergang grandios gescheitert sind. Durch eine Putsch- Regierung wurde gegen weite Teile der eigenen Bevölkerung eine verhängnisvolle Politik in Gang gesetzt, die nicht nur zum ukrainischen Bürgerkrieg geführt hat. Die von Kiew dabei auf die Krim gerichtete Politik mit dem bekannten Zusammenhang zur Nah-Ost-Frage hatte das Potential zum Ausbruch eines großen Krieges in Europa. Es mag Minsk II geschuldet sein, daß dieser Krieg bislang unterblieben ist. Die Aussagen von Herrn Koenen müssen in Deutschland deutlichen Widerspruch hervorrufen. In dem Text, den ich in der Anlage beifüge, habe ich diesen Widerspruch formuliert. Ich gehe davon aus, daß diesem Text der Platz und der Raum in der Zeitschrift “ Das Parlament“ eingeräumt wird wie dem Text, auf den ich mich beziehe.

Mit freundlichen Grüßen
Willy Wimmer
Staatssekretär a.D
Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE (1994-2000)

Nachbemerkung A.M.: Mal sehen, ob „Das Parlament“ den Text von Willy Wimmer abdruckt. Vermutlich nicht. Willy Wimmer gehört nicht zur Seilschaft.

Link zum Originaltext bei ' nds.de ' ..hier

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