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28.06.2016 01:00
COUNTERPUNCH – John Pilger:
Warum die Briten Nein zu Europa sagten

Dass die rückgrat- und wertelosen Miet­mäuler und Lohn­schreiber der zurecht als »Lügenpresse« bezeichneten Staats- und Konzernmedien mit wahrhaftiger Demokratie nichts zu tun haben, mussten wir hier immer wieder dokumentieren. Auch im Fall des Brexit hetzt die gleich­geschaltete Meute gegen das mehrheitliche Votum der Briten, als ob diese der EU den Krieg erklärt hätten. [Quelle: Propagandaschau] JWD

Man ist sich in den Redaktionen von ARD und ZDF nicht einmal zu blöde, nur Stunden nach einem staatlich organisierten Referendum, das unangefochtene Votum von 17 Millionen zur besten Sendezeit mit einer lachhaften Online-Petition infrage zu stellen.


Screenshot  |  Quelle: Propagandaschau (verlinkt)  |  ARD 24.06.2016 Brennpunkt

Statt feiernde und zufriedene Sieger zeigten die Hauptnachrichten- und Sondersendungen von ARD und ZDF am Donnerstag Abend ausschließlich „schockierte“ Gegner des EU-Ausstiegs, diffamierten die siegreichen Befürworter als überalterte Landeier, verschwiegen dabei weitestgehend, dass die Mehrheit der Jüngeren überhaupt nicht zur Wahl ging und vermittelten der deutschen Öffentlichkeit damit einmal mehr – und wieder einmal mit politischem Vorsatz – ein vollkommen falsches Bild der Realität.

Wer ARD und ZDF einschaltet, muss deshalb immer daran denken, dass er in allen wichtigen Fragen der Politik einseitig und falsch informiert, mit Ansichten und Meinungen der transatlantischen Netzwerker zugemüllt und auf diese Weise manipuliert und auf Linie getrimmt werden soll. Staats- und Konzernmedien agieren nicht als seriöse Quellen, die mündigen Bürgern unvoreingenommen relevante Informationen liefern, damit diese sich eine fundierte Meinung zu den unterschiedlichsten Themen bilden können, sondern als Werkzeuge der Meinungsmache von oben nach unten.

John Pilger ist eine renommierte und unabhängige Stimme abseits des Mainstreams, die ein Gespür dafür vermitteln kann, was viele Briten tatsächlich antrieb, für ein Verlassen der EU zu stimmen. Dass auch er in der Überschrift die EU mit Europa gleichsetzt, sei ihm an dieser Stelle verziehen. Der Dank für die Übersetzung des folgenden Beitrags geht in diesem Fall an jaba.

Wer ebenfalls Lust verspürt, einen interessanten Artikel aus dem Englischen oder anderen Sprachen ins Deutsche zu übersetzen, kann seine Übersetzung jederzeit im Propagandamelder einstellen. Counterpunch, Consortiumnews, Intercept und andere spannende Quellen bieten regelmäßig hervorragende Beiträge, die falsche Narrative und politische Propaganda des Mainstreams hinterfragen und entlarven.



Quelle: Propagandaschau (verlinkt)

Aufwind für Frieden und Demokratie – Warum die Briten Nein zu Europa sagten


Quelle: Propagandaschau (verlinkt)

von John Pilger Übersetzung: jaba

Die Wahl der britischen Mehrheit zum Verlassen der EU war ein Akt reiner Demokratie. Millionen einfacher Leute wehrten sich gegen die Gängelungen, Drohungen und Abweisungen, die mit offener Verachtung ihrer vermeintlich Besseren in den beiden großen Parteien, der Führer der Wirtschafts- und Bankenoligarchie gegen sie gefahren wurden.

Zu einem großen Teil war dies eine Wahl derer, die erzürnt und zermürbt sind von der schieren Arroganz der Apologeten der »Remain«-Kampagne und der Verstümmelung eines sozial gerechten Lebens in Großbritannien. Die letzte Bastion der historischen Reformen von 1945, der National Health Service (Nationaler Gesundheitsdienst), wurde von den Tory- und Labour-gestützten Privatiers dermaßen unterjocht, dass er ums Überleben kämpft.

Eine Vorwarnung kam, als Finanzminister George Osborne – die Leibwerdung sowohl von Britanniens ancient regime als auch der europäischen Bankenmafia – damit drohte, dem Öffentlichen Dienst 30 Mrd. Pfund zu streichen, sollten die Leute falsch abstimmen; eine Erpressung schockierenden Ausmaßes.

Mit unübertrefflichen Zynismus wurde in der Kampagne das Feld der Immigration ausgeschlachtet, nicht nur von populistischen Politikern rechts des Mondes, sondern auch von Labour-Politikern, die in ihrer eigenen »ehrwürdigen« Tradition fischten, dem Rassismus Vorschub zu leisten: einem Symptom für Korruption unten, nicht oben. Der Grund für die Flucht von Millionen aus dem Nahen Osten – zunächst Irak, nun Syrien – sind die Invasionen und das imperialistische Chaos von und mit Britannien, den USA, Frankreich, der EU und der NATO. Zuvor gab es die vorsätzliche Zerstörung Jugoslawiens. Davor gab es den Raub Palästinas und die Auflage Israels.

Der Tropenhelm ist lange abgelegt, aber das Blut wurde nie trocken. Eine dem 19. Jahrhundert gleiche Geringschätzung für Staaten und Völker, abhängig vom Grad ihres kolonialen Nutzens, ist nach wie vor ein Kernstück moderner »Globalisierung«, mit ihrem perversen Sozialismus für die Reichen und Kapitalismus für die Armen, ihrer Freiheit für Kapital und der Verweigerung von Freiheit für die Arbeit, ihrer perfiden Politiker und politisierten Beamten.

All das kam nun heim nach Europa: Leuten wie Tony Blair eine Bereicherung, aber eine Verarmung und Entmachtung von Millionen. Am 23. Juni sagte Britannien: Es reicht.

Die effektivsten Propagandisten des »Europäischen Ideals« waren nicht die Rechtsaußen, sondern eine unerträgliche Patrizierklasse, für die das Vereinte Königreich nur aus Metropolitan London besteht. Ihre führende Angehörige wähnen sich als liberale, erleuchtete, kultivierte Volkstribunen eines Zeitgeists des 21. Jahrhunderts, sie finden sich sogar »cool«. Dabei sind sie eine Bourgeoisie mit dem Geschmack eines unersättlichen Konsumenten und mit veralteten Instinkten ihrer eigenen Überlegenheit. In ihrer Hauspostille, dem »Guardian«, keiften sie Tag für Tag gegen jene, die die EU überhaupt nur als fundamental undemokratisch in Betracht zogen, als Quell sozialer Ungerechtigkeit und eines virulenten Extremismus, bekannt als »Neoliberalismus«.

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Quelle: Propagandaschau (verlinkt)

Das Ziel dieses Extremismus ist die Installation einer dauerhaften kapitalistischen Theokratie, die eine Zwei-Drittel-Gesellschaft gewährleistet, derer Mehrheit gespalten und verschuldet ist, angeführt von einer Konzernkaste, während der Rest in permanenter Armut arbeiten muss. Im heutigen Britannien wachsen 63 Prozent der armen Kinder in Familien auf, in denen ein Mitglied arbeitet. Für sie hat die Falle zugeschnappt. Mehr als 600.000 Einwohner von Britanniens zweiter Stadt, Greater Manchester, sind einer Studie zufolge der »Wirkung extremer Armut ausgesetzt« und 1,6 Mio. rutschen ins völlige Elend ab.

Nur wenig dieser sozialen Katastrophe wird in den bourgeoisie-kontrollierten Medien eingestanden, besonders in der Oxbridge-dominierten BBC. Während des Referendum-Wahlkampfes störte praktisch keine sachliche Analyse die klischeeschwangere Hysterie eines EU-Austritts, so als ob Britannien in tödliche Meeresströmungen irgendwo nördlich von Island geschleppt würde.

Am Morgen nach der Wahl begrüßte ein BBC-Hörfunkreporter in seinem Studio Politiker wie alte Kumpel. »Nun,« fragte er »Lord« Peter Mandelson, den blamierten Architekten des Blairismus, »warum wollen diese Leute so dringend raus?« Aber »diese Leute« sind die Mehrheit der Briten.

Der wohlhabende Kriegsverbrecher Tony Blair bleibt ein Held der »europäischen« Klasse Mandelsons, aber dieser Tage dürften nur noch wenige dieser Meinung sein. Der »Guardian« beschrieb Blair einst als »mystisch« und war seinem »Projekt« eines raublustigen Krieges treuergeben. Tags nach der Wahl bot Leitartikler Martin Kettle eine Brecht’sche Lösung für den Missbrauch der Demokratie durch die Massen: »Wir sind uns wohl darin einig, dass Referenden schlecht für Britannien sind« [Now surely we can agree referendums are bad for Britain], so der Titel seines ganzseitigen Stücks. Das »Wir« war unbenannt, aber zu verstehen — so wie »diese Leute« zu verstehen ist. »Das Referendum verlieh der Politik weniger Legitimität, nicht mehr,«, schrieb Kettle. »Die Schlussfolgerung über Referenden sollte schonungslos sein: Nie wieder.«

Kettle sehnt sich nach einer Art der Schonungslosigkeit, wie sie in Griechenland zu finden ist, einem nunmehr zerstäubten Staat. Dort hatte es ein Referendum gegeben und das Ergebnis wurde ignoriert. Wie die Labour Party in Britannien, sind die Anführer der Syriza-Regierung in Athen das Produkt einer im Überfluss schwimmenden, hochprivilegierten, gebildeten Mittelklasse, gehegt und gepflegt in der Vortäuschung und politischen Heimtücke des Postmodernismus. Mutig nutzte das griechische Volk das Referendum, seiner Regierung aufzutragen, in Brüssel »bessere Bedingungen« gegen einen käuflichen Status quo auszuhandeln, der ihrem Land das Leben nimmt. Sie wurden verraten, so wie auch die Briten verraten worden wären.

Am Freitag wurde Labour-Chef Jeremy Corbyn von der BBC gefragt, ob er dem abtretenden Cameron Tribut zollen wolle, seinem Kumpanen im »Remain«-Lager. Voller Überschwang lobte Corbyn Camerons »Würde«, und bemerkte dessen Rückhalt für die Homo-Ehe und die Entschuldigung gegenüber den Iren für den Bloody Sunday. Nichts sagte er über Camerons Zwiespältigkeit, seine brutale Austeritätspolitik, seine Lügen über den »Schutz« des National Health Service. Auch erinnerte er die Leute nicht an die Kriegstreiberei der Regierung Cameron: die Entsendung britischer Spezialkräfte nach Libyen und britischer Bombenzielerfasser nach Saudi-Arabien unter dem über allem stehenden Wink eines Dritten Weltkriegs.

In der Woche des Referendums bezog sich kein britischer Politiker und – meines Wissens nach – auch kein Journalist auf Wladimir Putins Rede in Sankt Petersburg zum Gedenken des Überfalls Nazideutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Der sowjetische Sieg – auf Kosten von 27 Millionen sowjetischer Leben und der Mehrheit der deutschen Streitkräfte – war der Sieg im Zweiten Weltkrieg.

Putin verglich die wahnsinnige Ansammlung von NATO-Soldaten und -Kriegsgerät an Russlands Westgrenzen mit dem Unternehmen Barbarossa des Dritten Reichs. Die NATO-Übungen in Polen waren die größten seit der Nazi-Invasion. Unternehmen Anakonda simulierte einen Angriff auf Russland, vermutlich mit Atomwaffen. Am Vorabend des Referendums warnte der Generalsekretärsquisling der NATO, Jens Stoltenberg, die Briten, sie gefährdeten »Frieden und Sicherheit«, wenn sie für das Verlassen der EU stimmten. Die Millionen, die ihn und Cameron, Osborne, Corbyn, Obama und den Mann hinter der Bank of England ignorierten, landeten vielleicht, nur vielleicht, einen Etappensieg in Richtung echten Frieden und Demokratie in Europa.

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John_Pilger
Quelle: Propagandaschau (verlinkt)

John Pilger (* 9. Oktober 1939 in Sydney, Australien) ist ein australischer Journalist und Dokumentarfilmer. Von 1963 bis 1986 war Pilger Leiter der Auslands­redaktion des „Daily Mirror“. Seitdem arbeitet Pilger als freier Journalist. 1968 war er unmittelbar Zeuge der Er­mor­dung des US-­Senators und demokratischen Prä­si­dent­schafts­kan­didaten Robert F. Kennedy in Los Angeles und vertritt aufgrund seiner Erlebnisse die Ansicht, dass es noch einen weiteren Schützen gegeben habe.[1] Pilger drehte mehr als 50 Filme und hat in seiner Karriere für viele bekannte englischsprachige Zeitungen ge­schrie­ben (z. B. „The Independent“, „The Guardian“ und „The New York Times“). Mit zahllosen Journalismus-Preisen ausgezeichnet, gehört Pilger zu den prominentesten englischsprachigen Journalisten. 2003 erhielt er den Sophie-Preis für seinen besonderen Einsatz für die Menschenrechte. Pilger engagiert sich in der Bewegung „Democracy now!“ und steht auch der Politik Obamas kritisch gegenüber, die seiner Meinung nach das Ziel bisheriger Regierungen der USA einer internationalen Vorherrschaft weiter verfolgt. Er ist Mitglied im vorläufigen Ausschuss der Internationalen Organisation für eine Partizipatorische Gesellschaft [2]. Er wurde im Jahre 2009 mit dem Sydney-Friedenspreis ausgezeichnet. (wikipedia)

Link zum Originaltext bei ' Propagandaschau ' ..hier


Passend zum Thema:

27.06.2016 [Quelle: voltairenet.org]
Das Weiße Haus und die NATO
bereiten die Sabotage des Brexit vor

Voltaire Netzwerk | 27. Juni 2016

Beim Verlassen der Europäischen Union setzt das Vereinigte Königreich seiner "besonderen Beziehung" mit den Vereinigten Staaten ein Ende. Aber London ist auch ein Mitglied des Abkommens der "fünf Augen" XXXXXX der Atlantik-Charta und Mitbegründer der NATO (die Briten teilen alle Informationen des stay-behind Netzwerkes). Großbritannien ausscheiden zu lassen ist somit gleichbedeutend, beim Zusammenbruch des gesamten weltweiten Systems angelsächsischer Vorherrschaft zu assistieren.


Quelle: voltairenet.org (verlinkt)

Der nationale Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten hat einen Plan aufgesetzt mit dem Ziel, das Vereinigte Königreich über die atlantischen Strukturen einzubinden. Es wurde beschlossen, alles zu tun, um die Ernennung des konservativen Führers des Brexit, Boris Johnson, in Downing Street zu verhindern und eine Persönlichkeit des "Konsens" zu fördern, welche "die Briten versöhnen kann". Diese Persönlichkeit würde die Bedingungen des Ausscheidens aus der Europäischen Union aushandeln. Die Union ihrerseits würde vorschlagen, die geltenden Abkommen durch fast identische Bestimmungen zu ersetzen. Am Ende dieses Prozesses hätte das Vereinigte Königreich seinen Sitz im Europa-Rat verloren, aber bliebe de facto im Gemeinsamen Markt.

Präsident Obama hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ernannt, die Operationen innerhalb der EU zu leiten und George Osborne, aktuelle Nummer 2 der Regierung, den "Konsens" im Vereinigten Königreich zu organisieren. Premierminister David Cameron hat es bereits zurückgewiesen, vor den US-Präsidentschaftswahlen zurückzutreten, während die schottischen Regionalregierung und die europäische Presse das Risiko der Sezession hervorheben, um den Ruf nach einer "Persönlichkeit des Konsens" zu rechtfertigen.

Von Donald Tusk, dem Präsidenten der Union, wurde für den 29. Juni der Europäische Rat, unter Anwesenheit von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, einberufen.

Übersetzung: Horst Frohlich

Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons (Lizenz CC BY-NC-ND)

Link zum Originaltext bei ' voltairenet.org ' ..hier
 

27.06.2016 [Quelle: voltairenet.org / Thierry Meyssan]

27 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer
Der Brexit teilt die Geopolitik neu auf
Während die internationale Presse auf der Suche nach Möglichkeiten zum Wiederbeleben Europas ist, aber immer noch ohne Russland und jetzt auch ohne das Vereinigte Königreich, denkt Thierry Meyssan, dass nichts mehr den Zusammenbruch des Systems verhindern kann. Jedoch, unterstreicht er, was auf dem Spiel steht, ist nicht die Europäische Union selbst, sondern die gesamten Institutionen, die die Dominanz der Vereinigten Staaten in der Welt und die Integrität der Vereinigten Staaten selbst erlauben.

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Quelle: voltairenet.org (verlinkt)

Dem Brexit zustimmend,
wird Königin Elizabeth ihr Land in Richtung des Yuan neu orientieren können.

Niemand scheint die Folgen der britischen Entscheidung, die Europäische Union zu verlassen, zu verstehen. Kommentatoren, die die Politiken interpretieren und die längst das Wissen über internationale Themen verloren haben, konzentrierten sich auf die Elemente einer absurden Kampagne: einerseits die Gegner einer unkontrollierten Einwanderung und andererseits die „Knechte Ruprecht“, die dem Vereinigten Königreich die schlimmsten Qualen androhen.

Die Herausforderungen dieses Beschlusses haben jedoch keine Verbindung mit diesen Themen. Der Unterschied zwischen Realität und der politischen Rede zeigt die Krankheit, an der die westliche Eliten leiden: ihre Inkompetenz. Obwohl sich der Schleier vor unseren Augen zerreißt, verstehen unsere Eliten die Situation nicht besser, als die kommunistische Partei der Sowjetunion die Folgen des Falls der Berliner Mauer im November 1989 verstand: die Auflösung der UdSSR im Dezember 1991 und dann die des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW; COMECON) und sechs Monate später, die des Warschauer Paktes und dann noch die Versuche, Russland selbst aufzulösen, das fast noch Tschetschenien verlieren sollte.

In ganz naher Zukunft werden wir identisch die Auflösung der Europäischen Union und dann die der NATO miterleben, und wenn sie nicht gut aufpassen, den Abbau der Vereinigten Staaten.

Welche Interessen hinter dem Brexit?

Im Gegensatz zur Prahlerei von Nigel Farage ist die UKIP nicht die Urheberin des Referendums, das sie gerade gewonnen hat. Diese Entscheidung wurde David Cameron von den Mitgliedern der konservativen Partei auferlegt.

Für sie muss die Londoner Politik eine pragmatische Anpassung an die Entwicklungen der Welt sein. Diese "Krämer-Nation", wie sie Napoleon genannt hat, erkennt, dass die Vereinigten Staaten nicht mehr die größte Volkswirtschaft, noch die erste militärische Macht der Welt sind. Also haben sie keinen Grund mehr, ihr privilegierter Partner zu sein.

So wie Margaret Thatcher nicht gezögert hatte, die britische Industrie zu zerstören, um ihr Land in ein globales Finanzzentrum zu verwandeln, in ähnlicher Weise haben diese Konservativen nicht gezögert, den Weg für die Unabhängigkeit von Schottland und Nordirland zu ebnen, und daher auf das Öl aus der Nordsee zu verzichten, um aus der City das erste offshore Finanzzentrum des Yuan zu machen.

Die Brexit-Kampagne wurde von der gentry und dem Buckingham Palace weithin unterstützt, die die Boulevardpresse mobilisiert haben, um zur Unabhängigkeit zurückzukehren.

Entgegen dem, was die europäische Presse sagt, wird der Austritt der Briten aus der EU nicht langsam vor sich gehen, weil die EU schneller zusammenbrechen wird als die nötige Zeit für die bürokratischen Verhandlungen über ihren Abgang. Die RGW-Staaten brauchten ihren Austritt nicht verhandeln, weil der RGW aufgehört hat zu funktionieren, als die zentrifugale Bewegung losging. Die Mitgliedstaaten der EU, die sich an Strohhalme klammern und darauf bestehen, zu retten, was von der Union übrig bleibt, werden ihre Anpassung an die neue Lage versäumen, mit dem Risiko ähnliche schmerzhafte Krämpfe zu erleben, wie die der ersten Jahre des neuen Russlands: riesiger Rückgang des Lebensstandards und der Lebenserwartung.

Für die Hunderttausend Beamten, Volksvertreter und europäischen Mitarbeiter, die ihre Arbeitsplätze unweigerlich verlieren werden und für die nationalen Eliten, die auch von diesem System abhängig sind, sollte man eine dringende Reform der Institutionen unternehmen um sie zu retten. Alle glauben fälschlicherweise, dass der Brexit eine Bresche schlägt, in die sich die Euroskeptiker stürzen werden. Der Brexit ist jedoch nur eine Reaktion auf den Niedergang der Vereinigten Staaten.

Das Pentagon, das den NATO-Gipfel in Warschau vorbereitet, hat auch nicht verstanden, dass es nicht mehr in der Lage ist, seinen Verbündeten aufzudrängen, ihren Verteidigungshaushalt zu entwickeln und seine militärischen Abenteuer zu unterstützen. Die Dominanz von Washington über den Rest der Welt ist zu Ende.

Wir kommen in eine andere Ära.

Was wird sich ändern?

Der Einsturz des sowjetischen Blocks war zuerst der Tod einer Weltanschauung. Die Sowjets und ihre Verbündeten wollten eine solidarische Gesellschaft bauen, in der man so viel wie möglich Öffentlich-rechtliches schafft. Sie bekamen eine riesige Bürokratie und neurotische Führer.

Die Berliner Mauer wurde nicht durch Anti-Kommunisten niedergerissen, sondern durch eine Koalition der kommunistischen Jugend und der lutherischen Kirchen. Sie wollten die kommunistischen Ideale ohne die sowjetische Vormundschaft, die politische Polizei und Bürokratie wieder aufbauen. Sie wurden durch ihre Eliten verraten, die, nachdem sie den Interessen der Sowjets gedient hatten, mit ebenso viel Eifer, den der Amerikaner dienten. Die engagiertesten Wähler für den Brexit wollen zuerst ihre nationale Souveränität wieder erlangen und dann die west-europäischen Staats- und Regierungschefs, die sich nach der massiven Ablehnung der Europäischen Verfassung (2004-07) der Einführung des Lissabon-Vertrags schuldig gemacht haben, bestrafen. Auch sie könnten enttäuscht sein von dem was folgen wird.

Der Brexit markiert das Ende der ideologischen Vorherrschaft der Vereinigten Staaten, die der Demokratie auf die billige Tour von den "vier Freiheiten". In seiner Rede zur Lage der Union im Jahr 1941 hat Präsident Roosevelt sie definiert als (1) die Freiheit der Rede und Meinung, (2) eines jeden Freiheit, Gott zu ehren, wie er es für richtig hält, (3) die Freiheit von der Notwendigkeit, und (4) die Freiheit der Furcht [vor einer ausländischen Aggression]. Wenn die Engländer zu ihren Traditionen zurückkehren, werden die Kontinentaleuropäer die Fragen der französischen und der russischen Revolutionen über die Legitimität der Macht wiederentdecken, ihre Institutionen umstoßen, mit dem Risiko, dass der deutsch-französische Konflikt wieder auftaucht.

Der Brexit bedeutet auch das Ende der militärisch-wirtschaftlichen US-Vorherrschaft; die NATO und die EU sind die zwei Seiten derselben Münze, auch wenn die Konstruktion der Außen- und Sicherheitspolitik länger dauerte als die des Freihandels. Vor kurzem schrieb ich einen Bericht über diese Politik gegenüber Syrien. Ich testete alle internen Dokumente der EU, öffentliche und nicht öffentliche, bis ich zu dem Schluss kam, die sie, ohne Kenntnis der Realität des Landes aus den Notizen des deutschen Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten geschrieben waren, welches selbst die Anweisungen aus dem US-Außenministerium übernommen hatte. Ich hatte ein paar Jahre vorher einen solchen Auftrag für einen anderen Staat ausgeführt und war zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen (außer, dass in diesem Fall der Vermittler nicht die deutsche Regierung, sondern die französische war).

Erste Folgen innerhalb der EU

Derzeit weisen die französischen Gewerkschaften den Gesetzentwurf über die Arbeit zurück, der von der Valls-Regierung auf der Grundlage eines Berichts aus der Europäischen Union geschrieben wurde, der sich selbst auf die Anweisungen des US-Außenministeriums stützt. Wenn die Mobilisierung der CGT den Franzosen erlaubt hat, die Rolle der EU in diesem Fall zu entdecken, haben sie jedoch immer noch nicht die EU – USA Artikulation begriffen. Sie haben verstanden, dass durch die Umkehrung der Normen d.h. die Platzierung der Firmen-Vereinbarungen über die Branche-Vereinbarungen, die Regierung die Vorrangstellung der Gesetze über den Vertrag in Wirklichkeit in Frage stellt, aber sie ignorieren die Strategie von Joseph Korbel und seiner zwei Kinder, seiner natürlichen Tochter, die Demokratin Madeleine Albright und seiner Adoptivtochter, die republikanische Condoleezza Rice. Professor Korbel versicherte, dass, um die Welt zu beherrschen, es genüge, dass Washington die internationalen Beziehungen in angelsächsischem Recht neu verfasse. In der Tat, wenn ein Vertrag über dem Gesetz steht, begünstigt das angelsächsische Recht langfristig die Reichen und Mächtigen im Vergleich zu den Armen und Bedürftigen

Es ist wahrscheinlich, dass die Franzosen, die Niederländer, die Dänen und noch andere versuchen werden, sich von der EU zu lösen. Sie müssen dazu ihrer herrschenden Klasse die Stirne bieten. Wenn die Dauer dieser Schlacht nicht vorhersehbar ist, ist das Ergebnis jedoch ohne Zweifel. Wie auch immer, in der Zeit des Umbruchs, die sich hier ankündigt, werden die französischen Arbeiter schwer manipulierbar sein, im Gegensatz zu ihren englischen, heute desorganisierten Kollegen.

Erste Konsequenzen für das Vereinigte Königreich

Premierminister David Cameron benutzte die kommenden Sommerferien, um seinen Rücktritt auf Oktober hinauszuschieben. Sein Nachfolger, im Prinzip Boris Johnson, kann daher den Wechsel vorbereiten, um ihn sofort nach seiner Ankunft in der Downing Street anzuwenden. Das Vereinigte Königreich wird nicht auf seinen endgültigen Ausstieg aus der EU warten, um seine eigene Politik zu führen. Beginnend mit seiner Abwendung von den Sanktionen, die gegen Russland und Syrien getroffen wurden.

Im Gegensatz zu dem, was die europäische Presse schreibt, ist die City of London von dem Brexit nicht unmittelbar betroffen. Ihrem ungewöhnlichen Status als unabhängiger Staat unter der Autorität der Krone zufolge, war sie nie ein Teil der Europäischen Union. Natürlich wird sie nicht länger Firmensitze bestimmter Unternehmen beherbergen können, die sich in die Union zurückziehen werden, aber sie wird die Souveränität von London verwenden können, um den Markt für den Yuan zu entwickeln. Bereits im April erhielt sie die erforderlichen Berechtigungen durch die Unterzeichnung einer Vereinbarung mit der Zentral-Bank von China. Darüber hinaus sollte sie ihre Aktivitäten als Steueroase für Europäer entwickeln.

Wenn der Brexit auch, in Erwartung von neuen Regeln, die britische Wirtschaft vorübergehend stören wird, ist es wahrscheinlich, dass das Vereinigte Königreich - oder zumindest England – sich schnell zu seinen Gunsten reorganisieren wird. Es bleibt offen, ob die Designer dieses Erdbebens die Weisheit haben werden, ihr Volk daran profitieren zu lassen: der Brexit ist eine Rückkehr zu nationalen Souveränität, er garantiert aber nicht die Souveränität des Volkes.

Die internationale Landschaft kann sich gemäß den Reaktionen, die folgen werden, auf sehr unterschiedliche Weise entwickeln. Selbst wenn das für manche Völker schief gehen sollte, ist es immer besser, an der Realität festzuhalten, wie es die Briten tun, anstatt in einem Traum zu beharren, bis er zerbricht.

Autor: Thierry Meyssan  |  Übersetzung: Horst Frohlich

Thierry Meyssan: Französischer Intellektueller, Präsident und Gründer des Réseau Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk : L’Effroyable imposture : Tome 2, Manipulations et désinformations (hg. JP Bertand, 2007).

Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons (Lizenz CC BY-NC-ND)

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