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03.02.2018  00:00
Trump, der US-amerikanische Gorbatschow
Für Thierry Meyssan ist die Politik der Vereinigten Staaten seit dem Fall der Sowjetunion gekennzeichnet durch einen Kampf zwischen zwei Schulen. Auf der einen Seite die Anhänger des Wohlstandes, auf der anderen die des Imperialismus. Das Geld oder die Macht. Diese Kluft existiert im Inneren jeder Partei, der Republikaner und der Demokraten. Doch die Zeit vergeht und die Vereinigten Staaten sind am Rande des inneren Zusammenbruchs angelangt... [Quelle: voltairenet.org] JWD

... Donald Trump hat also die unbequeme Stellung von Mikhail Gorbatschow eingenommen.

 Von Thierry Meyssan  |  Voltaire Netzwerk | Damaskus (Syrien) | 30. Januar 2018
 

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Alle noch offenen internationalen Fragen werden durch die Weigerung der Vereinigten Staaten - und manchmal ihrer europäischen Verbündeten – gestört, das Wachstum anderer Länder zu gestatten. Washington zögert nicht, auf beschämende Methoden zurückzugreifen, um den Sturz seines Imperiums zu verzögern.

Erinnern wir uns an das Ende der Sowjetunion im Jahr 1991. Dieser Koloss ist zusammengebrochen, ließ die Wirtschaft seiner Völker mehrere Jahrzehnte zurückfallen, die Lebenserwartung der Bewohner brutal mehr als zwanzig Jahre zurückgehen, und verursachte hintereinander den Sturz mehrerer seiner Verbündeten. Die Frage, was die Folgen dieser Katastrophe bei dem anderen großen Imperium des 20. Jahrhunderts - den USA und ihren Verbündeten – sein würden, wurde schon damals gestellt.

Ein prominenter russischer Politologe wie Igor Panarin sagte den Zerfall der Vereinigten Staaten in fünf verschiedene Länder, gemäß der ethnischen Herkunft seiner Bewohner, voraus. Manche dachten, er hätte die Argumentation der französischen Politologin, Hélène Carrère d‘Encausse, die sie sich für die UdSSR vorgestellt hatte, auf den amerikanischen Rivalen angewendet; ein Szenario, das nicht stattgefunden hat, aber das dennoch die Zukunft des ehemaligen sowjetischen Raumes bestimmte.

Um die Implosion seines Landes zu vermeiden, beschloss Präsident George H. Bush den militärischen Apparat des Kalten Krieges so bald wie möglich abzubauen. Er ließ mit der Operation "Desert Storm" weltweit die Führungsposition der USA anerkennen und demobilisierte dann mehr als eine Million Soldaten, d.h. die Hälfte der Truppenstärke. Er orientierte dann seine Politik um, und hoffte in eine Ära des Friedens und des Wohlstands einzutreten. Er gab jedoch seinem Land eine Doktrin mit, die eine jegliche Entstehung eines neuen Konkurrenten verhindern sollte. Wenn zu dieser Zeit auch niemand sich kurz- bis mittelfristig ein Erwachen von Russland vorstellen konnte, überzeugte ihn sein extrem-linker Berater, Paul Wolfowitz, die Europäische Union zu zügeln.

Aus Angst vor dem Gespenst des Zusammenbruchs bemächtigte sich die republikanische Partei des Parlaments, um dort ihren Vertrag mit den Vereinigten Staaten (Contract with America) zu fördern. Sie gebot dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton im Jahr 1995, wieder aufzurüsten und die ehemaligen Mitglieder des Warschauer Paktes in die Atlantische Allianz einzugliedern. Es gab aber keinen Feind mehr, daher auch keinen Grund mehr, aufzurüsten, noch die NATO ewig beizubehalten. Der Kongress lehnte den Traum der Präsidenten Bush Sr. und Clinton von einer Welt ab, in der die Vereinigten Staaten ohne ernsthafte Konkurrenz der Motor der Weltwirtschaft werden würden. Im Gegenteil, der Kongress dachte, dass das Pentagon den Untergang der Sowjetunion nutzen sollte, um seine Dominanz auf die ganze Welt auszudehnen.

Als die Aufrüstung verabschiedet wurde, stellte es sich heraus, dass das Pentagon, mit der Zustimmung aber ohne den Willen von Präsident Clinton, an den Kriegen von Jugoslawien beteiligt war. Schnell wurde dieses Engagement bekannt und führte zum Krieg der NATO gegen das zukünftige Serbien.

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Im September 2000 gibt das Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert sein Programm heraus: "Amerikas Verteidigung neugestalten“.

Zur gleichen Zeit starteten Mitglieder der Regierung der Kontinuität [1] (Dick Cheney, Donald Rumsfeld, James Woolsey, etc.) das Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert (Project for the New American Century). Seine Ziele waren [2]:

- die Verteidigung des Vaterlandes;

- den Kampf und den Sieg in mehreren gleichzeitigen großen Kriegen (das wichtigste ist der Sieg; um die Rechtfertigung der Konflikte wird man sich später kümmern. Anm.d.A.);

- die Durchführung der regulären Aufgaben der Streitkräfte (vor allem die Verteidigung der multinationalen Unternehmen, die das Öl ausbeuten. Anm.d.A);

- und die Transformation der Streitkräfte, um die Veränderungen im Militärwesen auszunutzen.

Nur die Insider wussten zu der Zeit, dass der vierte Punkt auf die von einem Schützling von Rumsfeld entwickelte Strategie zurückging, den zukünftigen Verantwortlichen im Pentagon für das Büro der Umwandlung der Streitkräfte (Office of Force Transformation), Admiral Arthur Cebrowski [3]. Diese Strategie wurde in verschiedenen Militärakademien seit Ende 2001 gelehrt, und dann im Jahr 2004 von Cebrowskis Assistent, Thomas Barnett, popularisiert [4]. Man sieht ihre Durchführung seit den Anschlägen vom 11. September mit der allmählichen Zerstörung von Staaten und Gesellschaften im gesamten Erweiterten Nahen Osten (Greater Middle East), unter verschiedenen, den Plan verbergenden Vorwänden.

Heute sind die im Jahr 1995 beschlossene Wiederbewaffnung und die im Erweiterten Nahen Osten seit 2001 umgesetzte Strategie der neuen Karte des Pentagon (Pentagon’s new map) am Ende. Während die Vereinigten Staaten sich darauf konzentrierten, den Großteil ihres Einkommens dazu zu verwenden, die muslimische Welt zu zerstören, entwickelten sich andere Länder, wie Russland und China. Heute sind die US-Streitkräfte nicht mehr die erste Armee der Welt.

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Laut dem "Nobel"-Preisträger der Ökonomie, Angus Deaton, hat die Lebenserwartung der amerikanischen Weißen stark nachgelassen, genauer gesagt seit 2001, während sie bei allen anderen Kategorien der US-Bevölkerung Fortschritte machte.

Das ist es auch, was Präsident Donald Trump in seiner nationalen Sicherheitsstrategie und General James Mattis, sein US-Verteidigungsminister, während seiner Rede am 17. Januar an der John Hopkins Universität zugegeben hat. [5]. Auch wenn sie nicht explizit gesagt haben, dass die Streitkräfte veraltet wären, setzten sie als oberste Priorität fest, "[ihren] vergleichenden militärischen Vorteil wiederherzustellen", was das gleiche ist.

Staat Militärausgaben im Jahr 2015 (Quelle SIPRI)
USA 611 Milliarden Dollar
China 215 Milliarden Dollar
Russland 69 Milliarden Dollar
Saudi-Arabien 63 Milliarden Dollar
Indien 65 Milliarden Dollar

Sicherlich, die US-Streitkräfte haben einen unvergleichbaren Haushalt, neunmal höher als der von Russland. Aber ihre Armeen haben eine erbärmliche Produktivität [6]. In Syrien und im Irak hat das Pentagon gegen Daesh etwa 10.000 Mann eingesetzt, von denen nur ein Drittel Soldaten sind und zwei Drittel "Vertragspartner" (Söldner) von privaten Unternehmen. Das Budget für diese Operation ist siebenmal höher als das von Russland, mit einer kläglichen militärischen Bilanz. Nicht nur Donald Rumsfeld, der die von ihm geleitete Multinationale Gilead Science großartig reorganisiert hatte, war nicht in der Lage, das Verteidigungsministerium zu reformieren, sondern je mehr man dort Geld hineinsteckt, desto weniger effektiv ist es.

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Laut dem "Nobel"-Preisträger der Ökonomie, Angus Deaton, hat die Lebenserwartung der amerikanischen Weißen stark nachgelassen, genauer gesagt seit 2001, während sie bei allen anderen Kategorien der US-Bevölkerung Fortschritte machte.

 

Amerikanische Waffen werden sicherlich in sehr großen Mengen produziert, aber sie sind veraltet gegenüber jenen von Russland und China. Die US-Ingenieure haben nicht mehr die Fähigkeit, neue Waffen zu bauen, wie sich durch das Scheitern des Programms F-35 gezeigt hat. Sie können höchstens die alten Maschinen überarbeiten und sie als neue Flugzeuge vorstellen. So wie Präsident Trump in seiner nationalen Sicherheitsstrategie bekannt gab, stammt das Problem sowohl vom Zusammenbruch der Forschung und Entwicklung wie von der allgegenwärtigen Korruption in den Beschaffungsprogrammen des Pentagon. Die Waffen-Hersteller verkaufen automatisch ihre Produkte, während das Verteidigungs-Sekretariat ignoriert, was wirklich gebraucht wird [7].

Unabhängig davon, wie man das Problem angeht, ist die US-Armee ein "Papiertiger" und es gibt keine Hoffnung sie kurz- bis mittelfristig zu reformieren, geschweige denn, dass sie wieder ihre russischen und chinesischen Konkurrenten überholen könnte.

Die Wahl von Donald Trump ins Weiße Haus ist zunächst die Folge dieses unbestreitbaren Zusammenbruchs. Der einzige Weg, den Lebensstandard der US-Amerikaner aufrecht zu erhalten, ist in der Tat, ihren Traum vom globalen Imperium sofort aufzugeben und zu den Grundsätzen der amerikanischen Republik von 1789, den Jahren der Bill Of Rights zurückzukehren.

In den vergangenen sechzehn Jahren haben sich die sehr alten Probleme der amerikanischen Gesellschaft exponentiell entwickelt. Zum Beispiel ist der Drogenkonsum, bis jetzt auf die Minderheiten beschränkt, nun eine Epidemie der weißen Männer geworden [8]. Und zwar derart, dass die Bekämpfung der Opioide zur großen nationalen Sache erhoben wurde. Der Besitz von Waffen ist im Übrigen zur Obsession geworden. Es handelt sich nicht mehr um das konstitutionelle Recht, gegen einen möglichen Missbrauch des Staates kämpfen zu können, noch um das Verhalten der Cowboys angesichts potentieller Räuber, sondern um die Angst vor weit verbreiteten Unruhen. Während der drei letzten Black Friday [schwarzen Freitage] sind die Waffen das meist-gekaufte Produkt anstelle von Handys geworden. 185 000 wurden an einem Tag im Jahr 2015 und 2016 verkauft, mehr als 200.000 im Jahr 2017 [9]. Am Ende schließen sich die US-Amerikaner jetzt in compounds [Gemeinschaften] mit Leuten gleicher kultureller Herkunft [10] und der gleichen sozialen Klasse zusammen, sofern sie die finanzielle Möglichkeiten dazu haben.

Daher sind die internationalen Beziehungen heute von dieser Frage beherrscht: akzeptieren die Vereinigten Staaten ihren aktuellen Rang oder nicht [11]. Donald Trump ist heute in der unbequemen Lage, in der Mikhail Gorbachev sich befand.

Autor: Thierry Meyssan | Übersetzung: Horst Frohlich | Korrekturlesen : Werner Leuthäusser

Thierry Meyssan: Politischer Berater, Präsident und Gründer des Réseau Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk: Sous nos yeux - Du 11-Septembre à Donald Trump.

Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons (CC BY-NC-ND

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