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22.03.2014 16:05
Die neue Konfrontation West-Ost. Wie geht es vermutlich weiter?
Gedanken zur Ukraine, zu Putins Rede vom Dienstag, zu unseren Medien, etc.
- Bis hierher und nicht weiter – das ist der Grundtenor der Rede des russischen Präsidenten vom 18. März. Putin erläutert und begründet, warum sich Russland betrogen fühlt. Bei uns im Westen reagiert man mit Sanktionen und wie schon zuvor mit scharfmacherischen Redensarten. [nachdenkseiten.de / Albrecht Müller]  JWD

Ausnahmen gibt es auch. Aber die Kräfteverhältnisse haben sich in Richtung Konfrontation verschoben, einschließlich der Wiederbelebung des Konzepts der Abschreckung statt der Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Europa und der dafür notwendigen Vertrauensbildung und Abrüstung. Katalysator und Träger der neuen Konfrontation sind herausragende Personen von untereinander vernetzten Leitmedien und eine Fülle von Instituten, Vereinigungen, Stiftungen und PR Agenturen. Albrecht Müller.

Russland fühlt sich betrogen. Die Berechtigung dieses Eindrucks könnte man nach nüchterner Betrachtung des Geschehens seit 1990 einsehen.

Der russische Präsident hat in seiner Rede vom 19.3.2014 – hier der Text – skizziert, wie sich die Abläufe nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation im Jahr 1989/1990 folgende aus russischer Sicht darstellen. Das entspricht – den Kern der Ergebnisse der Entspannungspolitik betreffend – dem, was ich konkret als Mitarbeiter von zwei Bundeskanzlern, die für die Vertrags- und Entspannungspolitik verantwortlich waren, und als Bundestagsabgeordneter von 1987 bis 1994 miterlebt habe. Die Russen konnten sich nach Äußerungen maßgeblicher westlicher Politiker darauf verlassen, dass die Konfrontation zwischen West und Ost ein Ende haben wird und man gemeinsam in einer europäischen Friedensordnung leben kann und will. Dem widersprach dann, was im weiteren Verlauf mit NATO-Ausdehnung bis an die Grenze Russlands und ständiger EU-Erweiterung, sozusagen als Vorhut der NATO-Ausdehnung, geschehen ist.

Mit dem Gefühl des Betrogenseins wird die Einverleibung der Krim nicht rechtens und unproblematisch. Aber sie erscheint in einem anderen Licht.

Die Einverleibung der Krim ist rechtlich problematisch. Aber es ist ziemlich unglaubwürdig, wenn nun Länder und Regierungen auf diesen Rechtsverstoß hinweisen, die Völkerrecht immer dann brechen, wenn es ihnen passt. Und die auch unrechtmäßig zu Stande gekommene Regierungen wie jene in Kiew anerkennen, ohne die rechtliche Lage geprüft zu haben.

Wir NDS-Macher haben den Bruch des Völkerrechts am Beispiel der Intervention im Irak und vor allem am Beispiel der militärischen Intervention im Kosovo-Krieg kritisiert. Die westliche Öffentlichkeit und veröffentlichte Meinung trug mehrheitlich keine Bedenken gegen dieses rechtswidrige Vorgehen vor.

Putin hat die Entwicklung des Verhältnisses von Russland zur Ukraine und zur Krim und den Eindruck, betrogen worden zu sein, ausführlich skizziert und diese Skizze mit Spott und Ironie, aber vor allem mit Fakten gewürzt. Auch das macht die Rede lesenswert. Wenn Sie die Zeit dazu finden, dann sollten Sie das wirklich tun. Denn diese Rede sagt viel über die Zukunft Europas und darüber aus, wie wir mit dem wieder aufgebrochenen Ost-West-Konflikt umgehen sollten, wenn wir friedlich in Europa leben wollen. Es ist auch gut, die Rede gelesen zu haben oder sie sich anzuhören, wenn man die handelnden Personen in Russland und die Reaktion der Verantwortlichen im Westen richtig einschätzen will.

Es sei angemerkt, dass es auch andere Stimmen gibt, auch unter den Lesern der NachDenkSeiten. Eine Leserin schrieb mir heute zur Putin Rede: „Sie ist Propaganda von vorne bis hinten. Schöne Worte.“ – So kann man das auch sehen. Nach meiner Einschätzung verbaut man sich damit eine wichtige Einsicht.

Ist Putin verrückt?

Putin wurde in den letzten Wochen in westlichen Medien als eine komische Figur und als nicht ganz zurechnungsfähig dargestellt. Das fand seinen vorläufigen Höhepunkt in mancher Berichterstattung über die Olympiade in Sotschi und jetzt beispielsweise in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom vergangenen Sonntag. Über fast eine ganze Seite wird dort als Aufmacher des Feuilletons vom russischen Autor Nikolai Klimeniouk und unter der Dachzeile „Krim-Krise aus russischer Sicht“ zu belegen versucht: „Putin ist verrückt“. So der Titel des Artikels und dann heißt es in der Anmoderation: „Ihr im Westen versucht, hinter Putins Handeln eine Strategie zu entdecken. Ihr fragt euch, was sein legitimes Interesse sein könnte. Wir Russen wissen, dass da der blanke Wahnsinn am Werk ist.“

Nun, lesen Sie die Rede und prüfen Sie den geistigen Gesundheitszustand des Vortragenden und machen Sie vor allem den Versuch, der Empfehlung des Autors zu folgen, keine Strategie in dieser Rede und der Politik der russischen Regierung und des russischen Präsidenten zu sehen. Sie werden scheitern. In der Rede wird sehr wohl eine Strategie offen gelegt. Und wenn wir und unsere Regierenden nicht verrückt wären, dann würden wir diese Rede und auch die veränderte Strategie Russlands ernst nehmen und uns darauf einstellen, d.h. für Menschen, die in Frieden leben wollen: zu retten versuchen, was noch zu retten ist. D.h., sich in die Lage der anderen Seite zu versetzen und darauf das eigene Handeln abzustellen.

Maßgebliche Personen und Institutionen im Westen haben sich die Mühe, sich in die Lage anderer zu übersetzen, nicht gemacht. Sie machen weiter mit dem Aufbau der Konfrontation zwischen West und Ost.

Die Europäische Union beschließt Sanktionen, die teils lächerlich sind, teils in Russland wie hier schaden, in jedem Fall die Atmosphäre vergiften, und jene in Moskau bestätigen, die keine Alternative zum jetzigen neuen Kurs sehen. Die Bundeskanzlerin macht dabei mit. NATO-Generalsekretär Rasmussen sieht in dem Anschluss der Halbinsel Krim an Russland einen «Weckruf» für die transatlantische Gemeinschaft. «Dies ist die größte Bedrohung für Europas Sicherheit und Stabilität seit dem Ende des Kalten Krieges», hieß es in einem Text des Nato-Chefs für eine Rede am 19.3. bei der Brookings Institution in Washington.

Es gehe nicht nur um die Ukraine, sondern um den Versuch Russlands, «die Uhr zurückzudrehen». Es wolle neue Grenzen auf den Karten ziehen, Märkte monopolisieren und Bevölkerungen unterwerfen, berichtet die „Welt“. «Und Gewalt nutzen, um Probleme zu lösen», sagte Rasmussen laut dem Manuskript. «Russland hat seine Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit als internationaler Akteur infrage gestellt.» Rasmussen spricht im Blick auf Moskau von „globalen Rüpeln“. So kann man die Nachbarn in Europa auch sehen. Die Konsequenz wird sein, dass weiter gerüstet wird. Das ist vermutlich das, was NATO-Generalsekretär Rasmussen auch will und wozu er berufen ist

Die Konsequenz ist außerdem, dass die Erweiterungspolitik der Europäischen Union wie auch der NATO fortgeführt wird. Und besonders schlaue Leute wie das Kommissionsmitglied Oettinger verkünden, wir im Westen könnten uns auch unabhängig machen von den Gas- und Öllieferungen Russlands. Was als friedensstiftend gedacht war, nämlich die wirtschaftliche Abhängigkeit voneinander, soll nun abgebaut werden

Dies alles ist das Gegenteil dessen, was getan werden müsste, wollte man die Chance, zu einer Politik der Zusammenarbeit in einem einigen Europa zurückzukehren, überhaupt noch irgendwo zu ergreifen versuchen.

Wer die Rede Putins liest, weiß, dass dafür im Westen eine politische Wende notwendig wäre:
  • Es wäre nötig, Vertrauen neu zu schaffen, wo dieses verloren gegangen ist.
  • Es wäre dazu notwendig, einzugestehen, dass es falsch ist und falsch war, Russland einzugrenzen und ihm mit NATO und EU immer näher zu rücken, und
  • dass es falsch sein wird, Destabilisierungspolitik auch gegenüber Russland zu betreiben bzw. fortzusetzen.
Die Rede Putins enthält einen bemerkenswert offenen Text zu diesem Thema. Ich zitiere:
    „Wir werden es mit Sicherheit auch mit äußeren Gegenmanövern zu tun bekommen, doch wir müssen für uns selbst entscheiden, ob wir dazu bereit sind, unsere nationalen Interessen konsequent zu verteidigen, oder ob wir sie mehr und mehr aufgeben und uns wer weiß wohin zurückziehen. Manche westlichen Politiker schrecken uns bereits nicht nur mit Sanktionen, sondern auch mit der Perspektive einer Verschärfung der inneren Probleme. Es wäre interessant zu erfahren, was sie damit meinen: Aktivitäten einer gewissen „Fünften Kolonne“ – also verschiedener „Vaterlandsverräter“ – oder rechnen sie damit, dass sie die soziale und wirtschaftliche Lage Russlands verschlechtern können und damit eine Unzufriedenheit der Menschen hervorrufen? Wir betrachten solche Verlautbarungen als unverantwortlich und offen aggressiv, und werden entsprechend darauf reagieren. Dabei werden wir selbst niemals nach einer Konfrontation mit unseren Partnern – weder in Ost, noch in West – streben; ganz im Gegenteil, wir werden alles Notwendige unternehmen, um zivilisierte, gutnachbarliche Beziehungen aufzubauen, so, wie es sich in der heutigen Welt gehört.“
Entscheidend ist, ob der Westen bereit wird sein, das Rollback und die dafür eingeplante Destabilisierung aufzugeben.

Es sieht nicht danach aus. Der Westen ist in dieser Frage gespalten, in einigen Variationen:
  • Es gibt jene, die das Ziel, die „Kommunisten“, die sie dort immer noch wirken sehen, obwohl sie alles andere als Kommunisten sind, zu besiegen, eh nie aufgegeben haben.
  • Es gibt jene, die Rechnungen offen haben wie die Polen, die Balten, die Tschechen und einige aus der ehemaligen DDR.
  • Es gibt jene, die zur eigenen Überhöhung die Konfrontation brauchen – je übler der Gegner dargestellt wird und aussieht, umso mehr kann man sich als glänzend darstellen.
  • Es gibt finanzielle Interessen am militärischen Konflikt jedenfalls an der Konfrontation, auch der militärischen.
  • Es gibt jene, die das Ende der Ost-West-Konfrontation nicht der Verständigungspolitik, sondern der Hochrüstung und der Destabilisierung im Osten zurechnen. Symbolhaft: Solidarnosc hat das Ende des Ost-West-Konflikts gebracht, nicht die Entspannungspolitik.
Die Stimme der Vernunft gibt es, aber sie ist schwach
Und dann gibt es jene, die das anders sehen, die sich noch daran erinnern, wie die Konfrontation war, und die den Kern der Entspannungspolitik, nämlich friedlich zusammenzuleben und zusammenzuarbeiten, ernst genommen haben. Bahr, Genscher, Kohl, Schröder, Lafontaine, etc.. Sie kommen aus mehreren Parteien, aber sie sind alt oder wie Schröder diskreditiert. Wir leben in der Gefahr, dass diese Generation, denen der Krieg, der kalte Krieg und die Methode der atomaren Abschreckung noch in den Knochen stecken, ausstirbt.

Und dennoch bleibt uns angesichts der Gefahren nichts anderes übrig, als in der jüngeren Generation für diese Sicht der Dinge zu werben: wir wollen nicht zurück in die Ausgangssituation von 1948: Dort der böse Russe, hier das gute Abendland. Und beide halten sich durch militärische und letztendlich atomare Abschreckung so in Schach, dass der Friede erhalten bleibt. Das ist teuer, das ist riskant, das blockiert eine gedeihliche innere Entwicklung.

Ein Beispiel für eine differenziertere Betrachtung:

Günter Verheugen im Deutschlandfunk vom 18.3.2014
Anmerkung: Bei ihm ist neben viel Zustimmung kritisch anzumerken, dass er die stimulierende Wirkung der EU-Erweiterung für die NATO Erweiterung und Konfrontation nicht sieht. Die EU-Erweiterung ohne Angebot der vollen Kooperation mit Russland hat immer den Beigeschmack der Abgrenzung und der Ausdehnung des Westens an die russische Grenze gehabt.

Ein weiteres Beispiel:

Folker Hellmeyer, Bremer Landesbank.

Überraschend offene Worte über Deutschlands Interessen und Deutschlands Verhältnis zu den USA, zu Russland, zu China und zur Krimkrise.

”Auf dem Schlachtfeld dürfen wir nicht länger nur der Bauer (in den Händen der Amerikaner) sein!”
Die Arme der Amerikaner reichen weit hinein bei uns. Aber sie werden kürzer.

Die Befürworter des Rollback und der Konfrontation haben seit 1990 Verstärkung bekommen.

Es ist ja verständlich, dass die Polen, die Balten, die Tschechen, die Ungarn usw. nicht sonderlich begeistert sind von Russland und den Russen. Aber notwendig ist das nicht. Diese Völker haben nicht nur schlechte Erfahrungen mit Russland gemacht, sondern auch mit den Deutschen.

Ihre Präsenz in EU und NATO hat die Gewichte verschoben, so dass sich heute vermutlich nur noch schwer eine Koalition bilden könnte, die ähnlich wie in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Konfrontation des Schreckens überwinden könnte und wollte. Weil wir nicht aufgepasst haben, weil wir die Versprechen gegenüber den Russen gebrochen haben, sind wir zur Geisel von Völkern geworden, die alte Feindschaften pflegen und wie zum Beispiel die Ukraine im Innern politische Kräfte haben, die man ohne Übertreibung zu den Faschisten zählen kann. Es ist ja kein Wunder, dass in der Ukraine von einigen Elementen immer noch die Freundschaft zur Wehrmacht und zu Nazi-Deutschland beschworen wird.

Diese Vertreter extremer Positionen wirken wie ein weit eingesteckter Pflock für Kräfte, die sich für demokratisch halten und dennoch zugleich ideologisch auf das Rollback eingeschworen sind. Für diesen Zusammenhang symptomatisch ist das Wirken mancher Vertreterinnen und Vertreter der Grünen und ihrer Stiftung in der Ukraine. Dazu nur ein Beispiel. Es lag und liegt im Interesse der extremen Rechten, dass ihre Beteiligung auf dem Maidan wie auch an der neuen Regierung in Kiew heruntergespielt wird. Einzelne Persönlichkeiten der Grünen Partei wie auch die Heinrich-Böll-Stiftung haben sich dafür hergegeben. Ein guter Beleg dafür ist dieses Dokument: „Euromaidan: Keine extremistische, sondern freiheitliche Massenbewegung“ vom 20. Feb. 2014.

In Deutschland und weltweit sind die Befürworter des Roll Back bestens organisiert. Sie beherrschen wichtige Medien und strahlen auf die anderen aus.

Zunächst ist an dieser Stelle auf einige wenige Beispiele geballter Agitation in den letzten Tagen aufmerksam zu machen:

Ein Musterbeispiel war die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 16.3.:
 

[Quelle: nds.de]
Es begann auf der ersten Seite der Zeitung mit dem Aufmacher; die Seite begann mit dem oberen Teil des hier abgebildeten Plakatsmotivs, ohne CDU und ohne Text:

Dann folgte unter der Dachzeile „Krim-Krise“ der HauptartikelMoskau nimmt Ukraine in die Zange“.

Auf der letzten Seite des ersten Produkts, also auch auf prominentem Platz, folgten zwei weitere Artikel zum Thema:

Erstens:

Die Ukraine gehört in die Nato

15.03.2014 · Die Allianz wollte Russland entgegenkommen. Doch Moskau nahm nicht die Hand, es zeigte seine Faust. In der Krim-Krise zeigt sich, dass die Strategie der Nato gescheitert ist. Ein Kommentar.

Von Thomas Gutschker

Und dann zweitens eine einzige Diffamierung der Linkspartei als fünfte Kolonne Moskaus:

Moskaus Partei
Von Marie Katharina Wagner
FAS 16.3.2014 über Sahra Wagenknecht und die Linke
(Ohne Link)

Und dann folgte noch der zuvor schon erwähnte ganzseitige Artikel: „Putin ist verrückt“.

Die FAS war nicht alleine. In den deutschen Medien von der FAZ bis zur Süddeutschen Zeitung, von der Welt bis zur Taz wird mobil gemacht gegen Russland.

Dahinter steckt ein Netz von einflussreichen Journalisten, eine groß angelegte PR Arbeit, die sich in der Gründung von Konferenzen, Institutionen, Stiftungen, PR Agenturen offenbaren.

Davon in einem nächsten Artikel, vermutlich morgen als Teil II mehr..

Anmerkung: Der vollständig wiedergegebene 1. Teil des Beitrags von Albrecht Müller wurde in den NachDenkSeiten am 20.03.2014 veröffentlicht. Der jetzt anschließende 2. Teil ist am Folgetag erschienen. JWD

21.03.2014 [Quelle: nds.de]
Die US-nah organisierte Gleichschaltung wichtiger Leitmedien (Teil II zur Putin- Rede, Ukraine, etc.)
Der Medienwissenschaftler Uwe Krüger hat 2013 das Ergebnis seiner wissenschaftlichen Arbeit über die Zusammenhänge von Größen des deutschen Journalismus mit außen- und sicherheitspolitisch aktiven Eliten veröffentlicht. Der Titel seines Buches: „Meinungsmacht“[*]. Seine Beobachtungen sind wichtig, um die Grundlinien wichtiger Medienschaffenden in der wieder auflebenden Auseinandersetzung zwischen West und Ost und damit das überwiegende Medienecho beim Konflikt um die Ukraine besser zu verstehen und vor allem auch die Orientierung an transatlantischem und US-amerikanischen Denken einordnen zu können. Albrecht Müller.

So wird der Mainstream US-nah ausgerichtet

Uwe Krüger hat beobachtet und beschreibt, dass sich Journalisten in verschiedenen Zirkeln mit den Mächtigen treffen, und sich dieses Eingebundensein in ihren journalistischen Werken niederschlägt. Wörtlich: „Am auffälligsten war der Befund, dass vier leitende Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ (Kornelius), der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Frankenberger), der „Welt“ (Stürmer) und der „Zeit“ (Joffe) stark in US- und NATO-affinen Strukturen eingebunden sind.“ Das deckt sich mit den Beobachtungen vieler unserer Leserinnen und Leser. Allerdings beobachten wir das Phänomen der Anlehnung und gleich Richtung bei einer Reihe anderer Journalistinnen und Journalisten.
Die Daten im Buch von Uwe Krüger beziehen sich auf die Jahre 2002-2009. Die meisten Beobachtungen sind noch aktuell. Siehe dazu auch ein Telepolis-Interview zum Thema.

Hier ist eine Tabelle mit Größen des deutschen Journalismus, die in transatlantisch ausgerichteten außen- und sicherheitspolitischen Eliten-Organisationen eingebunden waren und sind. Diese Tabelle ist ein Auszug aus einer Tabelle des Buches von Uwe Krüger (siehe dort die Seiten 119-122):
Medium Name Organisation, in der der Journalist zwischen 2002 und 2009 involviert war
ZEIT Josef Joffe American Academy in Berlin
American Council on Germany
American Institute for Contemporary German Studies
Aspen Institute Deutschland
Atlantik-Brücke
Bilderberg
Europe’s World
Goldman Sachs Foundation
Hypovereinsbank
International Institute for Strategic Studies
„Internationale Politik“
Münchner Sicherheitskonferenz
„The American Interest“
Trilaterale Kommission
ZEIT Matthias Naß Atlantik-Brücke
Bilderberg
ZEIT Marc Brost Atlantik-Brücke
Süddeutsche Zeitung Stefan Kornelius American Institute for Contemporary German Studies
Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Deutsche Atlantische Gesellschaft
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
„Internationale Politik“
Körber-Stiftung
Münchner Sicherheitskonferenz
ZDF Claus Kleber Aspen Institute Deutschland
ZDF Peter Frey Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Körber-Stiftung
BILD Kai Diekmann Atlantik-Brücke
FAZ Klaus-Dieter Frankenberger Atlantische Initiative
Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Institut für Europäische Politik
Münchner Sicherheitskonferenz
Trilaterale Kommission
WELT Michael Stürmer Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
European Council on Foreign Relations
German British Forum
Münchner Sicherheitskonferenz
Valdai Discussion Club

Die genannten Personen waren auf verschiedene Weise mit den genannten Institutionen verwoben – u.a. Mitgliedschaft in Vereinen, Beirat oder Kuratorium sowie mit der Teilnahme an nicht-öffentlichen Konferenzen.

Ergänzende Anmerkung:
Claus Kleber war 15 Jahre lang Washington-Korrespondent der ARD, und er war bis vor einigen Jahren Kuratoriumsmitglied des Aspen Institutes Deutschland (US-Organisation). Er war bis 2013 regelmäßig Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz [PDF - 465 KB] (einer Nato-nahen Veranstaltung) und hat dort mindestens eine Podiumsdiskussion moderiert [PDF - 465 KB] (u.a. mit John Kerry)

Die Liste der ähnlich mit Eliten verwobenen Journalistinnen und Journalisten wäre gewaltig zu erweitern, wollte man ein komplettes Bild der Einflussnahme zeichnen. In meiner Darstellung fehlen Spiegel und Spiegel online, die Bild-Zeitung, die kommerziellen Sender und große Regionalzeitungen. Über all ist die Gleichrichtung spürbar.

Uwe Krüger hat Artikel und andere Medienprodukte der genannten Journalisten untersucht und festgestellt: Die Journalisten lagen ganz auf Linie mit den Eliten. Sie mahnten zu stärkerem militärischen Engagement und empfahlen mehr Führung und Überzeugungsarbeit bei der skeptischen Bevölkerung, um die Linie durchzusetzen. Zu welchen Ergebnissen diese Agitation führt, konnten wir erleben, als im Kontext der Münchner Sicherheitskonferenz dieses Jahres Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen einvernehmlich mehr Verantwortung in der Welt einforderten, was gleichbedeutend ist mit mehr militärischem Engagement. Solche Schübe der außen- und sicherheitspolitischen Veränderungen werden genau von diesen Kreisen von Journalisten in Kombination mit den verschiedenen Institutionen bewerkstelligt.

Die Nähe zu den Eliten und zu deren politischer Orientierung zahlt sich auch für die Karriere der genannten Journalisten aus. Joffe, Frey, Kleber etc. sind auch dank ihrer ideologischen Ausrichtung und ihrer Verbundenheit mit den mächtigen Zirkeln der Eliten beruflich erfolgreich.

Die genannten Personen sind einflussreich. Sie bestimmen durch ihre Prominenz und ihre gleiche Ausrichtung auch die Berichterstattung und Kommentierung von anderen Journalistinnen und Journalisten.

Im eigenen Medium gilt das oft ganz direkt. Ein typisches Beispiel ist der Kommentar zur Putin Rede von Julian Hans in der Süddeutschen Zeitung vom 19. März 2014. Die Überschrift in der Printausgabe lautete: „Europas Alptraum“. Typisch für die Verdrehung im Sinne der westlichen „Staatengemeinschaft“ war u.a. der Schluss:
    „Im Zeitraum von gerade einmal drei Wochen hat Europa erlebt, wie seine über Jahrzehnte stabile Sicherheitsordnung zerbröselte. Wie soll man Putin entgegentreten? Keiner weiß es. Und für die Völker Mitteleuropas sind die alten Schreckgespenster zurückgekehrt – ihr Albtraum.“
Da ist keine Rede von der Mitwirkung der Europäischen Union, der USA und der NATO an der Erosion der stabilen Sicherheitsordnung. Von den Zumutungen und den gebrochenen Versprechungen gegenüber Russland wird nicht berichtet. Schuld sind allein die Russen.

Die Einbindung von Journalisten findet auf vielfältige Weise statt – durch Verknüpfung mit den aufgeführten Institutionen. Darüber hinaus aber auch durch die Tätigkeit als Korrespondenten, vor allem in den USA und in Brüssel. Ein Leser der NachDenkSeiten, dem ich Anregungen für diesen Artikel verdanke, schreibt:
„Mir fiel auf, dass durch das bekannte Rotationsprinzip nach kurzzeitigen Aufenthalt in USA plötzlich ein anderer “Zungenschlag” zu vernehmen war, der anderswo als Gehirnwäsche gebrandmarkt wird.“ Er hat das beim Deutschlandfunk beobachtet. Man kann es bei der ARD und beim ZDF beobachten.

Die Rollback-Ideologen in den USA und Europa bestimmen das Medienecho maßgeblich. Wer in den USA regiert, ist dabei ziemlich gleichgültig. Auch in Europa ist festzustellen, dass zum Beispiel Sozialdemokraten und Grüne fest in die herrschende Ideologie und ihre Agitationen eingebunden sind, oft noch fester als die traditionellen Konservativen.

Das ist kein neues Phänomen. Clevere Rechtskonservative und ihre Agitatoren im Hintergrund suchen sich oft eher Links orientierte Personen als Rammböcke zur Durchsetzung ihrer Interessen und Ideologien. So wurden Joschka Fischer und Rudolf Scharping für die Durchsetzung der militärischen Intervention im Kosovo Krieg instrumentalisiert. So geschieht es heute. Der sozialistische Präsident Frankreichs ist einer der Hauptmatadore der neuen Konfrontation in Europa; wichtige Repräsentanten der Grünen einschließlich der schon im Teil I. erwähnten Heinrich-Böll-Stiftung wirken an vorderer Front beim Aufbau der neuen Konfrontation in Europa mit.

Fazit:

Es ist wichtig, über die organisierte Gleichschaltung vieler Medien aufzuklären.

Es ist wichtig, auf diese Weise die Glaubwürdigkeit dieser Medien zu erschüttern.

Nur dann wird es gelingen, in unserem Volk den noch vorhandenen Widerstand gegen einen neuen kalten Krieg und gegen die neue Teilung Europas in West und Ost zu erhalten und auszubauen.

Deshalb die herzliche Bitte: Klären Sie auf über die Abhängigkeit vieler deutscher Medien von den Herrschenden und einer militärorientierten herrschenden Ideologie, die übrigens immer auch eine innenpolitische und gesellschaftspolitische Seite hat.

Nennen Sie Namen. Denn die laufende Agitation ist nicht namenlos. Sie wird von Personen organisiert und getragen. Die Glaubwürdigkeit dieser Personen muss im Mark erschüttert werden.

Im Anhang finden Sie zwei gut passende Leserbriefe auf den gestrigen Teil I.

Anhang:

Leserbrief 1:


lieber albrecht, ein paar anregungen zu deiner weiteren betrachtung aus der sicht derjenigen, die ihre lektion aus dem kalten krieg gelernt haben:
    1. merkel ist durch ihre sozialization in der ddr die “geborene antirussin”, die ihren hass gegen moskau politisch auslebt; sie hat nie erfahren können, wie der kalte krieg aus sicht des westens aussah, und die erleichterung verspüren können, die wir mit “ksze” und “osze”, “glasnost” und “perestroika” erlebten – diese erfahrung ist und bleibt ihr fremd, deshalb versagt sie, nicht nur in der ukraine/krim-frage.

    (Notwendige Korrektur AM: Das ist nicht korrekt. Ich teile die Meinung einer NDS-Leserin, die schreibt: “Ich selbst und viele andere ehemalige DDR-Bürger sind aufgrund unserer Sozialisierung keine Antirussen geworden! DDR-Aufwuchs mit Antirussenhaltung gleichzusetzen, würde die Sache zu einfach darstellen.” – Danke für diese Korrektur.)

    2. verheugen hat uns als eu-erweiterungskommissar doch all die problemländer an den europäischen hals gehängt, die als brückenländer die sicherheitsinteressen hätten wahren können, wenn man das europäische haus mit russland weiter gebaut hätte, statt mit der eu auch die nato an die grenzen russlands heranzuführen, aber er hat auch die probleme dieser länder duchschaut: das hilft ihm heute bei der analyse der situation in der ukraine.

    3. tscheltschik und andere erinnern sich plötzlich nicht mehr an zusagen gegenüber gorbatschow/schewardnadze, die nato nicht über die grenzen deutschlands hinaus auszudehnen (“ich kenne den vermerk genscher’s nicht”), polarisieren unter berufung auf ihre teilnahme an allen ost-west-gesprächen 1989/90 damit die diskussion, indem sie gorbatschow als alten vertrottelten mann darstellen.

    4. steinmeier ist ein schwadronierender bürokrat, dessen sprache die diplomatie als permanente lüge entlarvt. wo sind eigentlich all die thinktanks und sonstigen beamten im aa, die solche rollenspiele veranstalten, um die ereignisse vorzudenken: ein vordenken findet in der politik ebensowenig statt wie ein nachdenken. auch hier wird der zusammenhang zwischen den eigentlichen machthabern des militärisch-industriellen-finanz-kartells und der abhängigkeit der politik sichtbar – gott erbarme sich der erbärmlichkeit unserer politik. steinmeier sucht eine “spaltung europas” in der ukraine zu verhindern und vertieft die spaltung europas geichzeitig mit seiner sanktionspolitik gegen russland.

    5. wir werden jahrzehnte brauchen, um das vertrauen wieder aufzubauen, dass der westen seit 1990 im osten verspielt hat. politik fragt nicht nach schuld, sondern nach verantwortung – wie uns max weber gelehrt hat. aber das kartell der nationalistischen “schlafwandler” lebt auch hundert jahre nach dem 1. weltkrieg immer noch, wie uns craig gelehrt hat.
einen schönen tag – und halte kurs, dein albert

Leserbrief 2:

Lieber Herr Müller,

den zweiten Teil Ihrer hervorragenden Analyse der “Krim-Krise” kann ich kaum erwarten. Ihre Gedanken teile ich hundertprozentig und kann mir gut vorstellen, wie sehr sie als einer der “Polit-Macher” jener außenpolitischen Wende, welche uns dauerhaften Frieden in Europa zu bringen versprach, unter dem Säbelrasseln einer wiederbelebten unseligen Kalte-Kriegs-Rhetorik leiden. Lebhaft erinnere ich mich daran, wie ich 1990 den Schwerpunkt meiner journalistischen Arbeit von Sicherheits- und Militärpolitik auf die USA verlegte und als Büroleiter nach Washington ging – in der festen Erwartung, dass mit dem scheinbaren Ende des Kalten Kriegs die Bedeutung meines vorherigen Arbeitsbereich sehr schnell marginalisiert würde.

Die von Ihnen zur Recht angesprochene Sorge, dass mit der älteren Generation auch die so wichtige Erinnerung an die politisch so schädlich Blockade-Haltung der Blockkonfrontation verschwindet, beschäftigt auch mich sehr, wenn ich das leichtfertige, fast schon bellizistische Geschwafel in den meisten unserer Leit(d)medien lese. Dass die deutsche Wirtschaft, wenn auch aus (verständlichem) Eigennutz, in dieser Frage weithin eine differenzierte Haltung einnimmt, kann ich nur begrüßen. Vielleicht sollte man Frau Merkel bei ihrer “marktorientierten Demokratie” stärker daran erinnern.

Ihr S. von I.

[«*] Uwe Krüger (2013) Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. Köln: Herbert von Halem Verlag

Link zum Originaltext bei ' nds.de ' Teil1 ..hier | Teil2 ..hier


Anmerkung: In einem anderen Zusammenhang bin ich Anfang Februar auf eine Recherche von Friederike Beck gestoßen, die herausfand, wieso eigentlich Karl-Theodor von und zu Guttenberg seinerzeit einen solch kometenhaften  Aufstieg hingelegt hatte und sogar Verteidigungsminister geworden war. Auch dort wurde überdeutlich, welche tragende Rollen die transatlantischen Netzwerke spielen.

In sofern ist die Lektüre meiner Hinweise vom 01.02.2014 bis zum 03.02.2014 ergänzend zu den aktuellen Feststellungen von Albrecht Müller sehr aufschlussreich:

01.02.2014 12:45
Sag mir, wo der “Change” ist
US-Präsident Barack Obama kündigt bei seiner Rede an die Nation für 2014 ein Jahr des Handelns an. Aber durchsetzen kann er wohl höchstens sachte Korrekturen. Obama kündigte an, dass er verstärkt von Rechtsverordnungen Gebrauch machen will, um unabhängig vom republikanisch dominierten Repräsentantenhaus agieren zu können. Die meisten Aktionen, die der US-Präsident ankündigt, bewegen sich im innen- und sozialpolitischen Bereich. [Quellen: TAZ | Bericht zur Lage der Nation] JWD  ..weiterlesen


01.02.2014 19:15
Ukraine: Der Qualitätsjournalismus versagt
Der Großteil der deutschen Medienlandschaft berichtet seit Ende November nahezu unverändert oberflächlich und erschreckend einseitig über die Lage in der Ukraine. [Quelle: nds.de] JWD  ..weiterlesen


03.02.2014 14:45
Verantwortung sagen und Krieg meinen - Gauck predigt gegen Drückebergerei
Aus der einstigen Wehrkundebegegnung ist heute die MSC (Munich Security Conference) geworden. Geführt von transatlantischen Netzwerkern, die meist im Dienste der Wallstreet stehen, veranstaltet die MSC gemeinnützige GmbH Tagungen von internationalen Sicherheitspolitikern, Militärs und Rüstungsindustriellen, um gemeinsame Strategien zu entwickeln. Nationalstaaten und deren demokratisch gewählte Regierungen können so von dieser Last weitgehend befreit werden.  JWD  ..weiterlesen

 
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